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Die Rebellion

Die Rebellion

Titel: Die Rebellion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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gleiche Beobachter hätte vielleicht auch
aus ihrer Körpersprache und aus den gelegentlichen verlangenden Blicken schließen können, daß die beiden etwas miteinander hatten. Und der unparteiische Beobachter, in der Annahme,
daß an Löwensteins Hof ein derartiger Skandal durchaus möglich war, hätte vollkommen recht gehabt. Lily und Michael
waren ein Liebespaar, und das bereits seit geraumer Zeit. Jeder
wußte Bescheid darüber, mit Ausnahme von Stephanie und
Daniel Wolf, die viel zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt
waren. Selbst Valentin wußte es. Er hatte nur noch nichts dazu
gesagt, weil er noch immer nicht wußte, ob es lustiger sein
würde, wenn er seine jüngeren Geschwister aufklärte, oder ob
er einfach weiter zuschauen sollte.
Lily war groß, schlank und besaß trotzdem ausgeprägte weibliche Formen. Ihre silberne Perücke fiel in langen Locken bis
über die Schultern herab und rahmte ein sommersprossiges,
bleiches Gesicht ein. Sie trug immer eine Perücke auf dem
kahlgeschorenen Schädel, weil es so viel einfacher war, eine
Perücke zu pflegen. Lily kleidete sich stets nach der neuesten
Mode und sah gut darin aus. Sie besaß eine natürliche Eleganz,
die andere unscheinbarere Frauen grün vor Neid werden ließ.
Lily war eine hinreißende Schönheit mit vorstehenden Wangenknochen und dunklen, schimmernden Augen. Sie besaß ein
Lächeln, das einen Gigolo auf der Stelle betäuben konnte, und
ihr Lachen steckte ganze Parties an. Daniel mochte sie nicht,
und seine Frau faßte das als persönliche Beleidigung auf.
Michael war nicht ganz so groß wie Lily, doch sein Körper
war mit den besten Muskeln ausgerüstet, die ein Körperladen
liefern konnte. Sie tendierten nach einer gewissen Zeit immer
zum Erschlaffen, weil er sich nicht zu genügend Übung hinreißen konnte, doch ein einziger Besuch im Körperladen genügte,
und alles war wieder wie neu. Er war von dunklem Typ, gutaussehend, und er besaß eine dichte Mähne von pechschwarzem Haar, auf die er besonders stolz war. Michael bevorzugte
lockere Kleidung mit reichlich offenen Stellen, die seinen
männlichen Körper zeigten, und das Resultat davon war, daß er
jetzt am ganzen Leib zitterte wie Espenlaub und die Zähne zusammenbeißen mußte, um sie am Klappern zu hindern. Seine
Haut hatte eine blasse Farbe angenommen, die einen unansehnlichen Kontrast zu seinem schwarzen Haar bildete. Auf Michaels Kopf hatte sich eine Krone aus Schnee gebildet. Wenigstens
waren seine Füße warm, denn er bevorzugte kniehohe Lederstiefel. Doch der Gedanke konnte ihn nicht wirklich trösten. Er
starrte wütend zur Eisernen Hexe, die gleichmütig auf ihrem
Thron saß, und schlang die Arme eng um den Leib.
»Wenn du dich noch eine Spur fester drückst, quellen deine
Innereien aus den Ohren heraus«, sagte Lily leise.
»Ich langweile mich«, erwiderte Michael durch seine zusammengebissenen Zähne hindurch. »Ich langweile mich zu
Tode, und mir ist scheißkalt. Meine Glieder sind zu Eiszapfen
erstarrt. Sieh mal nach, ob du jemanden findest, dem ich den
Umhang wegnehmen kann.«
»Reiß dich zusammen, Liebster. Versuch wenigstens dieses
eine Mal, keine unnötige Aufmerksamkeit auf dich zu ziehen.
Die Innereien des Schafes, das ich heute morgen geopfert habe,
sagten es ganz deutlich. Heute ist kein guter Tag zum Auffallen.«
»Warum haben deine verdammten Innereien dich nicht gewarnt, daß der Hof diesmal eine verdammte Tiefkühltruhe sein
würde? Innereien mögen ja schön und gut sein, wenn es darum
geht, großartig und mystisch zu klingen, aber wenn es um die
Vorhersage von praktischen Dingen geht, wo sind sie dann?
Ich an deiner Stelle würde mir mein Geld zurückgeben lassen.
Oder zumindest ein neues Schaf.«
»Hör auf zu spotten, Liebster. Du verstehst nichts von diesen
Dingen. Das weißt du selbst am besten. Und achte darauf, was
du sagst. Immerhin bist du ein Aristokrat.«
»Ich hätte Buchhalter bleiben sollen. Die Herrscherin hätte
nie von meiner Existenz erfahren, und ich hätte wenigstens
noch Gefühl in meinen Fingern.«
»Wenn du Stephanie nicht geheiratet hättest, wären wir uns
nie begegnet.«
Michael dachte über Lilys Bemerkung nach und verzog das
Gesicht zu einer Grimasse, die ein Lächeln sein sollte. »Schön,
in dieser Hinsicht hast du recht. Das einzige Mal, daß ich in
meinem Leben Glück gehabt habe, war, als wir uns kennenlernten.«
Lily streckte die Hand aus und tätschelte tröstend Michaels
Wange.

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