Die Rebellion
Allerdings mußte Gregor in der Öffentlichkeit
reiner als rein dastehen, wenn er die Rückendeckung der Kirche wollte, und das hatte ihn einiges gekostet. In der Vergangenheit war Gregor Shreck immer seinen eigenen Weg gegangen, hatte getan, was er wollte, und seine Leute hatten den dabei entstandenen Schaden entweder mit Geld oder Drohungen
beseitigen müssen. Das typische Verhalten eines Aristokraten
mit Geld wie Heu und mehr Hormonen als Verstand. Zum
Glück war der Kirche die Vergangenheit egal, solange man nur
öffentlich bereute, eine große Summe spendete und alles hinter
sich ließ. Die beiden erstgenannten Anforderungen kümmerten
Gregor wenig, doch die dritte stellte ein nicht unbeträchtliches
Hindernis dar. Es gab Grenzen. Trotzdem, auf der einen Seite
gab es die Öffentlichkeit und auf der anderen das Private. Solange der Shreck in den Augen der Öffentlichkeit gut dastand,
vergab man ihm alle Sünden, von denen die Gerüchte erzählten. Man ignorierte sie sogar. Gregor hatte sich nie um sein
Ansehen in der Öffentlichkeit geschert, doch zum Glück gab es
Familienangehörige, die das in die Hand genommen hatten. Im
Augenblick standen sie direkt hinter ihm und warteten auf seine Instruktionen. Jedenfalls diejenigen, die wußten, was gut für
sie war und was nicht. Gregor wandte sich zu ihnen um und
bedachte sie mit seinem furchteinflößendsten Gesichtsausdruck.
Toby der Troubadour war sein Neffe, obwohl Gregor sich
das manchmal nur ungern eingestand. Ein gedrungener, dicker,
schwitzender Bursche mit flachsblondem Haar und falschem
Grinsen, einem Verstand wie eine stählerne Fußangel und der
Moral einer verhungernden Kanalratte. Seine Hauptaufgabe
bestand darin, die Biographie der Familie im bestmöglichen
Licht erscheinen zu lassen und dafür zu sorgen, daß seine Berichte an den richtigen Stellen erschienen. Journale, Holoschauen, Klatschkolumnen. Er war der richtige Mann für Öffentlichkeitsarbeit, ein meisterhafter Rhetoriker, Experte für
Schadensbegrenzung und ein erstklassiger Lügner. Das mußte
er auch sein. Es war nicht leicht, Gregor Shreck gut aussehen
zu lassen. Der Rest der Familie hatte wenigstens vereinzelte
gute Augenblicke, trotz der kleinen schwarzen Herzen, aber
Toby kam damit zurecht. Solange sie nicht aus der Reihe tanzten und taten, was Toby von ihnen verlangte – eine vorbereitete
Rede hier und ein öffentlicher Auftritt dort und ein Lächeln
und Winken für die Kameras –, ließ er seine Angehörigen in
der Zwischenzeit einfach aus seinen Berichten heraus. Schließlich gab es nur eine Sache, die noch schlechter war, als wenn
jeder über einen redete: daß nämlich überhaupt niemand über
einen redete. Wenn dein Gesicht nicht in allen Klatschspalten
und den Holosendungen auftaucht, dann bist du ein Niemand.
Toby konnte aus jedem eine Berühmtheit machen, bekannt um
der Bekanntheit willen, wenn man die Regeln befolgte. Seine
Regeln. Was soviel hieß wie: Mach, was du willst, solange es
unterhaltsam ist und ich derjenige bin, der als erster davon erfährt, damit ich es in die richtige Form bringen kann, bevor es
auf die Straße kommt. Unglücklicherweise konnte er Gregor
Shreck nicht so einfach herumkommandieren. Falls er je so
dumm sein würde, es auszuprobieren, würde Gregor ihm als
Warnung die Stimmbänder herausreißen.
»Schieß endlich los, Junge«, brummte Gregor seinen Neffen
an. »Was hast du gegenwärtig über Evangeline zu melden?«
»Offiziell ruht sie sich eine Zeitlang aus, weil der Streß der
letzten Zeit zuviel für sie war«, erwiderte Toby glatt. »Wir haben nicht genau gesagt, was für ein Streß das war, aber die Gerüchtemacher werden sich schon etwas ausdenken. Sie lieben
das Spekulieren. Laß mich bitte wissen, wann sie sich genug
ausgeruht hat, damit ich sie wieder in die Gesellschaft einführen kann.«
»Ich werde dir sagen, was du wissen mußt – wenn du es wissen mußt, und keine Minute vorher«, sagte Gregor. »Wie steht
es um mein gegenwärtiges Ansehen bei der Kirche?«
»Nicht schlecht. Obwohl ich wünschte, du würdest mehr auf
das achten, was du sagst, Onkel. Manchmal denke ich, die Kirche ist nur allzugern bereit, Zoten zu verzeihen, aber nicht dieses spezielle Wort, das du etwas zu oft verwendest. Die meisten Leute werden darüber hinweghören, wenn ich ihnen genug
dafür zahle, egal, ob es sich um Obszönitäten oder politischen
Unsinn handelt, aber früher oder später wirst du vor den falschen
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