Die Rebellion
Prinzips, bisher ohne jeden Erfolg.
Der Geistkrieger wandte sich ohne besondere Eile wieder um
und grinste die Herrscherin breit an. Seine farblose Haut riß
rings um den grinsenden Mund herum auf, und durch die Löcher in den Wangen konnte man deutlich die weißen Zähne
sehen.
»Wir bitten um Verzeihung, daß wir so unangemeldet hereinplatzen«, sagte die Kreatur leise. »Anscheinend haben wir
die Einladung verlegt. Wir haben Euch so viel zu sagen, Löwenstein. Die Zeiten haben sich geändert, und die Ereignisse
sind in Bewegung geraten. Die Vorhersagen über die zukünftigen Entwicklungen und Möglichkeiten sind beunruhigend. Es
ist erforderlich, daß wir unsere gegenseitige Feindschaft beenden und uns um des Überlebens willen zusammentun. Das Imperium muß sich unter unsere Kontrolle begeben, damit wir
unsere vereinten Kräfte auf das vorbereiten können, was auf
uns zukommt. Ihr habt alle gesehen, zu was allein diese eine
Spezies bereits imstande ist. Und es gibt noch mehr. Sie kommen von der anderen Seite der Dunkelwüste , und sie sind viel
fremdartiger und tödlicher, als Ihr Euch vorstellen könnt. Kreaturen, die schlimmer sind als jeder Alptraum des Fleisches, die
über jedes Begriffsvermögen hinausgehen und die Menschen
schon durch ihren bloßen Anblick in den Wahnsinn treiben. Ihr
habt nicht die geringste Chance, allein mit ihnen fertig zu werden. Unterwerft Euch und übergebt uns die Herrschaft, so wie
es von Anfang an hätte sein sollen, und wir werden die
Menschheit zu einer Armee umformen, die unbesiegbar ist.«
»Und wie?« fragte die Eiserne Hexe tonlos. »Wollt Ihr uns
alle zu Geistkriegern machen?«
»Das wäre zumindest eine Möglichkeit«, antwortete der Körper von Jakob Wolf. »Doch es gibt auch noch andere.«
Die Herrscherin und der Emissär argumentierten leidenschaftslos weiter, aber Valentin schenkte ihren Worten keine
große Aufmerksamkeit. Er war insgeheim sehr verärgert, daß
man ihn nicht vorher von diesem Ereignis in Kenntnis gesetzt
hatte. Schließlich war er mit den KIs von Shub alliiert. Der
Wolf hatte die geheimen Verbindungen der Feldglöcks übernommen. Als Gegenleistung für den neuen Hyperraumantrieb
des Imperiums versorgten die KIs ihn mit weit fortgeschrittener
Technologie, die es dem Clan ermöglichte, den Vorsprung vor
seinen Konkurrenten zu behalten. Nicht, daß Valentin den KIs
wirklich den Antrieb geben würde. Es könnte ihnen einen zu
großen Vorteil gegenüber dem Imperium verschaffen. Andererseits wäre es ein höchst amüsanter Scherz auf Kosten Löwensteins. Er würde eine Menge dafür geben, ihr Gesicht zu
sehen, wenn sie schließlich herausfände, von wem die KIs den
Antrieb bekommen hatten.
Valentin schob den verlockenden Gedanken beiseite und
zwang sich, die Szene vor seinen Augen aufmerksam zu verfolgen. Er betrachtete den Geistkrieger versonnen. Es war ganz
definitiv sein Vater Jakob. Warum hatte sich Shub entschlossen, ausgerechnet ihn an den Hof zu senden? Versuchten
sie etwa, ihm etwas mitzuteilen? Er würde darüber nachdenken
müssen. Verstohlen zog er seine Pillenschachtel hervor, nahm
ein weiteres Pflaster heraus und preßte es gegen den Hals. Sein
Verstand mußte klar und scharf sein, schärfer als scharf. Valentin bemerkte, daß sein Herz gefährlich schnell zu schlagen begann, und nahm eine Pille, um seinen Kreislauf zu beruhigen.
Das hatte man von den ganzen Drogen. Greife hier in deinen
Organismus ein, und der Organismus wehrt sich dort. Natürlich
machte das einen wesentlichen Teil des ganzen Vergnügens
aus: wie ein Seiltänzer auf dem schmalen Grat der Selbstbeherrschung zu balancieren. Und unten gähnte ein bodenloser
Abgrund. Zu Valentins Linken entstand eine plötzliche Bewegung, und er wandte sich um. Sein jüngerer Bruder Daniel war
aus der Menge hervorgetreten und stapfte durch den Schnee
auf den Geistkrieger zu. Stephanie rief laut hinter ihm her,
doch Daniel hörte nicht auf seine Schwester. Neben dem Körper des Vaters blieb er stehen. Der Geistkrieger musterte den
jungen Wolf aus kalten Augen. Daniel streckte die Hand nach
ihm aus, doch dann zögerte er.
»Vater, bist du das?«
Der Gesandte von Shub gab keine Antwort. Daniel trat einen
Schritt näher. »Vater, ich bin so allein, seit du nicht mehr da
bist. Ich vermisse dich. Bist du da drin, irgendwo?«
Der Tote betrachtete den jungen Wolf eine Zeitlang, aber auf
seinem Gesicht waren keinerlei Emotionen zu erkennen.
Schließlich sagte
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