Die Rebellion
das?« erkundigte sich Sturm. »Was geschieht hier?«
»Kriecher«, antwortete der Lange John. »Kreaturen aus der
Tiefe. Sie graben sich durch das Metall, als wäre es überhaupt
nicht da. Sie fressen alles, das sich nicht wehrt, und das meiste
andere auch.«
Ruby Reises Hand fiel an die Hüfte, wo der Griff ihres
Schwertes hätte sein sollen, und dann fluchte sie leidenschaftlich, als ihr einfiel, daß sie damit einverstanden gewesen war,
unbewaffnet zu erscheinen. Sturm warf einen raschen Blick in
die Runde. Ohnesorg legte ihm eine beruhigende Hand auf die
Schulter.
»Macht Euch keine Sorgen«, sagte die HalsabschneiderMarie und hob das Schwert. »Wir werden Euch schützen.«
Und dann brach der Boden direkt neben Ohnesorg auf, und
ein stumpfer, geschuppter Kopf brach durch und hob sich auf
einem langen, gebogenen Hals in die Höhe. Der Schädel maß
gut einen Meter im Durchmesser, und der Hals war so dick wie
zwei Männer. Die Kreatur besaß keine Augen, doch das Maul
war gespickt mit scharfen Zähnen. Chaos brach unter den Zuschauern aus, als die Menschen in den ersten Reihen versuchten, nach oben zu den höheren Sitzen und in Sicherheit zu klettern. Der Lange John hieb mit dem Schwert nach dem Hals der
Bestie, aber die Klinge prallte wirkungslos von den dicken
Schuppen ab. Der breite Kopf schwang herum, krachte gegen
den Langen John und riß ihn von den Beinen. Alles schrie nach
Verstärkung und Energiewaffen.
Ohnesorg trat vor und hämmerte mit all seiner Kraft auf den
gebogenen Hals. Seine Faust durchschlug die Schuppen glatt
und drang tief in das Fleisch darunter ein. Die Kreatur kreischte laut; ein hoher, durchdringender Ton, der in den Ohren
schmerzte. Ohnesorg wappnete sich und schob die Hand weiter
vor. Die Kreatur zuckte konvulsivisch, und schwarzes Blut
sprudelte aus ihrem Maul, doch Ohnesorg ließ sich nicht abschütteln. Sein Arm versank bis zum Ellbogen in dem geschuppten Hals, und dann fanden seine tastenden Finger die
langen, gewundenen Wirbel. Es dauerte nur einen einzigen
Augenblick, die Faust darum zu schließen und die Wirbelsäule
mit einer raschen Bewegung zu brechen. Die Kreatur erschauerte über die ganze Länge ihres sichtbaren Körpers und brach
tot auf dem Boden der Kaverne zusammen.
Für einen Augenblick herrschte Totenstille, dann brach auf
den Rängen donnernder Jubel aus. Die Zuschauer feierten Ohnesorg und applaudierten ihm, während die vier Ratsmitglieder
ihn mit weit aufgerissenen Mündern anstarrten. Dann steckten
sie die Schwerter weg und fielen in den Applaus ein. Ohnesorg
grinste. Anscheinend war es ihm endlich gelungen, die Ausgestoßenen zu beeindrucken. Sturm schüttelte ungläubig den
Kopf. Ohnesorg zog den blutbesudelten Arm aus dem Hals des
toten Kriechers. Ruby gab ihm ein Taschentuch, mit dem er
sich notdürftig reinigen konnte, beugte sich dicht an sein Ohr
und murmelte leise: »Angeber.«
Der Krieg ging weiter.
Inzwischen war Frühling, und die Temperaturen schossen in
die Höhe. Schnee und Eis schmolzen und überfluteten die Gräben. Überall keimte Leben auf. Fremdartige, tödliche Kreaturen erschienen wie aus dem Nichts und blockierten die Tunnel
und Kavernen. Es herrschte Frühling, und die Zeit des Winterschlafs war vorüber. Die Fauna und Flora des Planeten brach
aus den Wänden und den Böden, aggressiv und hungrig auf
Fleisch. Hungrige Pflanzen mit weit ausladenden Dornen,
Kreaturen mit dichten Fellen, die nur aus Zähnen und Klauen
zu bestehen schienen, in allen Größen und Formen, und alle
fest entschlossen, ihre Chance zu leben wahrzunehmen. Sie
kämpften gegeneinander um Nahrung und Territorium, und die
Sieger kämpften gegen die Rebellen um die Kontrolle über die
blutbesudelten Tunnel und Gräben. Die Rebellen wehrten sich
mit Schwertern und Äxten und gelegentlich mit einer Energiewaffe, Rücken an Rücken, und drängten die rasenden Horden
zurück, wie sie es in der Vergangenheit schon so viele Male
getan hatten. Die Sicherheitskräfte der Wolfs kämpften den
gleichen Kampf. Es war der einzige Tag im Jahr, an dem beide
Seiten keine Zeit fanden, gegeneinander Krieg zu führen. Und
noch immer explodierte auf allen Seiten neues Leben. Säureverspritzende Blutegel übersäten die berstenden Wände, gewaltige Bestien gruben sich unaufhaltsam ihren Weg aus der Tiefe
nach oben, getrieben von uralten Instinkten, die sie auf der Suche nach Licht und Wärme vorantrugen. Die erwachende Welt
gebar Blutwürmer,
Weitere Kostenlose Bücher