Die Rebellion
die Soldaten zurückdrängten. Ohnesorg und Ruby Reise stürmten unaufhaltsam vor, und
die Ausgestoßenen faßten an ihrem Beispiel neuen Mut. Weitere Gepanzerte fielen und schrien. Einige wandten sich zur
Flucht, aber in dem beengten Raum hatten sie nicht genügend
Bewegungsfreiheit, und so kamen sie ihren eigenen Kameraden
in den Weg. Gespenster-Alice krächzte vergnügt, während sie
rittlings auf den Schultern eines Söldners saß und ihr blutiges
Messer immer und immer wieder durch die Sichtblende seines
Helms stach.
Nicht ein einziger Söldner kam davon.
Zerschmetterte Kampfanzüge bedeckten über Dutzende von
Metern den Boden. Auch die Rebellen hatten Verluste, aber
nicht annähernd so viele. Überall war Blut. Es tropfte an den
Wänden herab und bildete große Lachen auf dem Boden. Ohnesorg und Ruby Reise grinsten sich an. Die Aus gestoßenen
drängten sich um die beiden, gratulierten ihnen und klopften
den beiden anerkennend auf die Schultern. Ohnesorg wischte
mit einem Lappen das Blut von seinem Arm und nickte und
lächelte jedermann zu, bis seine Augen die von Alexander
Sturm trafen. Sein alter Freund hielt sich ein wenig abseits von
den anderen. Auch Sturms Schwert und Kleider waren blutbesudelt. Nur wenig davon schien sein eigenes zu sein. Er atmete
schwer, und das Schwert in seiner Hand zitterte. Sturm erwiderte Ohnesorgs Blick, als wäre Jakob ein Fremder. Ohnesorg
ging zu ihm, doch als er die Kälte in Sturms Augen bemerkte,
blieb er stehen.
»Wer bist du?« fragte Sturm. »Der Jakob Ohnesorg, den ich
kannte, konnte so etwas nicht. Kein menschliches Wesen kann
das.«
»Ich … ich habe mich verändert«, antwortete Jakob. »Ich bin
mehr als früher. Aber ich bin immer noch derselbe.«
»Nein, bist du nicht«, entgegnete Sturm. »Ich weiß nicht
mehr, wer du bist.«
Er wandte sich ab und ging ein Stück in den Tunnel hinein.
Ohnesorg ließ ihn ziehen. Es lag eine gewisse Wahrheit in
dem, was sein alter Freund gesagt hatte. Jakob hob den Blick
und bemerkte, daß die Gespenster-Alice ihn anstarrte. Er zuckte die Schultern, und sie erwiderte die Geste. Dann ging sie
Sturm hinterher. In der Zwischenzeit hatte Ruby Reise sich
schnarrend und fluchend ein wenig Freiraum geschaffen und
war nun dabei, methodisch das Schwert mit etwas zu reinigen,
das einmal ein feines seidenes Taschentuch gewesen war. Ruby
hielt nicht viel von Kameraderie und überschwenglichen
Glückwünschen. Sie würde wahrscheinlich auch keine Lust
haben, jetzt mit Jakob zu reden. Ohnesorg zuckte erneut die
Schultern. Er hatte nur das getan, was er hatte tun müssen, wie
schon viele Male zuvor.
Jakob Ohnesorg konnte noch immer das Herz in der Hand
spüren, wie es das letzte Stück seines Lebens herauspumpte,
während er laut lachte. Das sah ihm gar nicht ähnlich. Überhaupt nicht.
Ohnesorg schob den Gedanken beiseite, als ihm eine weitere
Idee kam. Er fragte sich, ob die Rebellen nicht mit Absicht
einen Weg ausgesucht hatten, auf dem sie mit gepanzerten
Tunnelratten der Wolfs zusammentreffen mußten. Nur um zu
sehen, wozu der legendäre Jakob Ohnesorg und seine Freunde
imstande waren, wenn sie nicht eine Rebellenarmee im Rücken
hatten. Es war die Art von Prüfung, wie Jakob sie ausgesucht
hätte. Früher. Doch obwohl er stark beeindruckt war, wie die
Rebellen sich geschlagen und bereitwillig ihr Leben riskiert
hatten, nur um ihn zu prüfen, so war er doch betrübt, daß es
keinerlei Gefangene gegeben hatte. Es würde eine Zeit kommen, wo der Haß nur dem endgültigen Sieg im Wege stand.
Am Ende gewann man stets mehr Schlachten, indem man die
Kapitulation des Feindes akzeptierte, als daß man ihn bis zum
letzten Mann erschlug. Oder ging der Haß so tief hier auf Technos III , daß keine Vernunft mehr möglich war?
Die Kirchentruppen, weithin unter dem Namen ›die Gläubigen‹
bekannt, trainierten auf der großen freien Fläche zwischen dem
Fabrikkomplex und dem ersten Graben. Toby Shreck und sein
Kameramann Flynn waren dort und nahmen alles auf. Niemand
war über ihre Anwesenheit besonders glücklich, aber daran
hatten sich Toby und Flynn inzwischen gewöhnt. Offiziell sollten die Truppen der Kirche von Christus dem Krieger und die
harten Söldner der Wolfs inzwischen eine integrierte Streitmacht bilden, aber beide Seiten besaßen eine eigene jahrhundertelange Tradition, ganz zu schweigen von heißblütiger
Feindschaft untereinander. Folglich entwickelte sich das, was
als eine
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