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Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Titel: Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
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zuliebe den Streikenden in den Rücken – wie schon die DGB -Gewerkschaft Transnet im Lokführerstreik.
    Alle Räder stehen still … – der Lokführerstreik
    Kaum ein Arbeitskampf der letzten Jahre erhitzte die deutschen Gemüter dermaßen wie der Lokführerstreik im Sommer und Herbst 2007 . Bis zu 30  Stunden legten die 15550 in der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer ( GDL ) organisierten Mitarbeiter der Deutschen Bahn – also 79  Prozent der Bahn-Lokführer – mehrfach die Arbeit nieder. Während dieser Zeit erwirkte die Deutsche Bahn mehrere einstweilige Verfügungen vor Arbeitsgerichten, die Streiks verboten oder einschränkten. Am 2 . November 2007 allerdings hob das Landesarbeitsgericht Sachsen in einer Eilentscheidung ein Arbeitsgerichtsurteil auf, das Streiks im Güter- und Fernverkehr der Bahn untersagt hatte. Insbesondere verwarfen die Chemnitzer Richter das in manchen Urteilen entwickelte Prinzip, es dürfe nur einen Tarifvertrag pro Betrieb geben. [587] Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer ( GDL ) erkämpfte schließlich im Jahr 2008 einen eigenen Lokführertarifvertrag. Danach erhielten angestellte »Triebfahrzeugführer« ab Februar 2009 statt vorher 1970  Euro nun 2016  Euro Einstiegsgehalt und statt davor 2142 , 48  Euro nunmehr 3199  Euro Maximalgehalt. Zum 1 . Januar 2010 wurde das Anfangsgehalt auf 2056  Euro und das Höchstgehalt auf 3263  Euro angehoben. Alles brutto, versteht sich. [588]
    Was diesen Streik so bemerkenswert macht, ist auch die Anzahl der »feindlichen Fronten«. Neben der bis dahin gültigen Rechtsprechung waren dies vor allem:
    Die DGB -Führung, die um das lukrative Monopol auf Arbeitnehmervertretung ebenso fürchtete wie um das »Stören ihrer Kreise« ihrer Interessengemeinschaft mit der SPD . Nicht nur der erwähnte Transnet-Chef und spätere Bahnvorstand Norbert Hansen, auch DGB -Chef Michael Sommer erfüllte das Schmähwort »Gewerkschaftsbonze« mit neuem Leben: Der Streik habe »mit Solidarität wenig zu tun … Es freut mich immer, wenn Gewerkschaften Erfolg haben – aber nicht, wenn dies zu Lasten von anderen Beschäftigtengruppen geht. Die Lokführer sollten in den Tarifverbund der übrigen Gewerkschaften bei der Bahn zurückkehren … Einheitsgewerkschaften versuchen, verschiedene Interessen auszugleichen. Die Lokführer tun das Gegenteil. Wenn sich die GDL durchsetzt, wird das soziale Klima bei der Bahn belastet.« [589] Was Sommer mit seinem nebulösen Statement meint: Die Transnet-Basis ist stinksauer auf ihre Führung, weil die GDL für die Lokführer bis zu 15  Prozent mehr herausgeholt hat. Und auch bundesweit dürfte den DGB -Mitgliedern dämmern, was alles möglich ist, wenn man ehrlich kämpft und nicht mit Arbeitgeber und Regierung unter einer Decke steckt.
Die schwarz-rote Regierung, die ebenso wie der damalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn das Unternehmen ohne Rücksicht auf Verluste lieber gestern als heute an der Börse gesehen hätte. Und je geringer die Löhne und je zahmer die Belegschaft, desto attraktiver wäre die Bahn für »Investoren«, also für raffgierige und sozial gestörte Heuschrecken und superreiche Schnäppchenjäger. So drängte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee ( SPD ) permanent und »nachdrücklich« auf eine »Einigung«. Die Tarifpartner sollten sich »der hohen Verantwortung für die Volkswirtschaft bewusst« sein. Und an die Adresse der GDL : Das Ergebnis der Vermittlung von Ende August sei nach wie vor eine »solide Grundlage« für eine Einigung. [590] Tiefensees Gesinnungsgenosse Dieter Ameling, Präsident des Branchenverbandes Wirtschaftsvereinigung Stahl, hetzt noch mehr gegen die Lokführer: Der Bahnstreik habe nicht nur »gravierende« Folgen für einige Stahlkocher. »Insbesondere die erfolgsgewohnten Export-Weltmeister Automobilindustrie und Maschinenbau können natürlich besonders betroffen sein. Die Lokführer seien sich ihrer Verantwortung dafür bisher nicht bewusst.« [591]
Ein Tarif»partner«, der mit hochkriminellen Methoden arbeitete. Im Rahmen der Aufklärung der Bahn-Spitzelaffäre kam im März 2009 ans Tageslicht: Um den Streik zu sabotieren, hat die Deutsche Bahn E-Mails der GDL an die Lokomotivführer nicht nur gelesen, sondern offenbar auch gelöscht, damit Streik-Infos auf keinen Fall an die Belegschaft gelangten. [592] Hätte nur noch gefehlt, dass ein streikender Lokführer oder ein Angehöriger vor einen Zug gefallen wäre. Die GDL -Führer mussten wohl die

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