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Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Titel: Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
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Volkes auf seine eigene Herrschaft kommen – Demokratie bedeutet nun einmal Volksherrschaft –, werfen wir einen Blick auf drei der wichtigsten Plebiszite der letzten Zeit, denen eines gemeinsam ist: Die CDU missbrauchte den Plebiszit zur Mobilisierung des meist gut betuchten Pöbels, um mit Hilfe der Gossenmedien Regierungspolitik zu kippen. Erinnert sei hier an folgende Volksentscheide:
    Am 27 . April 2008 gegen die Schließung des Flughafens Berlin-Tempelhof (gescheitert). Gegenüber den Nostalgikern erinnerte die Union an die Zeit der US -Luftbrücke und des Kalten Krieges gegen den Iwan als eine Art unausgesprochene Revanche für Stalingrad. Aber das wahre Motiv für den Erhalt war der schnöde Mammon. So wollte der Kosmetikhersteller Ronald S. Lauder gemeinsamen mit US -Heuschrecken am Flughafen angeblich »eines der modernsten ambulanten Gesundheitszentren der Welt« [623] errichten, zugänglich auch für alle Kassenpatienten. Nicht ganz so unverfroren war das Übernahme-Angebot des damaligen Bahn-Chefs Hartmut Mehdorn: Tempelhof lasse sich gut als Geschäftsflughafen für private Flugzeuge betreiben, allerdings ohne das riesige denkmalgeschützte Gebäude. [624]
Am 26 . April 2009 in Berlin für die Gleichstellung des Ethik- mit dem Religionsunterricht (gescheitert). Die drei Anführer des Initiatorenvereins Pro Reli – Vereinsboss Christoph Lehmann, Geschäftsführer Martin Schröder und Medieneinpeitscher Matthias Wambach – sind ausnahmslos Mitglieder der CDU , die offenbar wahllos ein Thema nach dem anderen durchprobieren. Aber so konnte die in der Wählergunst hoffnungslos abgestürzte Berliner CDU natürlich weder gegen Rot-Rot noch gegen die Grünen Boden gutmachen.
Am 18 . Juli 2010 in Hamburg gegen die von Schwarz-Grün beschlossene Einführung der sechsjährigen Primarstufe (erfolgreich). Hauptmotiv der zumeist in »gut- und großbürgerlichen Stadtteilen wie Nienstedten, Harvestehude oder Klein-Flottbek« [625] lebenden Reformfeinde, zu denen auch der Großteil der hanseatisch versnobten CDU -Basis zählte [626] : »Unsere lieben Kleinen zwei Jahre länger in einer Klasse mit den womöglich fremdrassigen Schmuddelkindern aus der Unterschicht? Niemals!« Wieso steckt diese feine Gesellschaft ihre Bälger nicht einfach in ein Schweizer Internat wie viele andere großspurige Millionärserben auch? Im Ergebnis kam die CDU -Führung aus dem ungeliebten und von der Basis sowieso abgelehnten schwarz-grünen Bündnis heraus.
     
    61  Prozent der Bürger fordern laut
stern-
Umfrage den Volksentscheid auch auf Bundesebene. Nur 34  Prozent halten die meisten Entscheidungen – die ja allesamt zumindest auf dem Papier »im Namen« und vor allem »zum Wohle« des Volkes getroffen werden – für »zu kompliziert«, um sie dem Volk selbst zu überlassen.
    Interessant, aber nicht unerwartet das Votum der Anhänger der einzelnen Parteien zum Volksentscheid: Wähler der Linkspartei sind zu 85  Prozent dafür, der SPD zu 64 , der Grünen zu 63  Prozent, während es bei der FDP lediglich 55 und bei der Union gar nur 47  Prozent gegenüber 46  Prozent Gegnern sind. [627] Dies entspricht der allerdings etwas pauschalen Logik: Je unsozialer (»neoliberaler«), deutlicher an den Interessen der Reichen und Mächtigen orientierter und undemokratischer die Politik einer Partei
erscheint,
desto weniger ihrer Wähler wollen die »Einmischung des Volkes« durch eine direktere Demokratie. Und tatsächlich hätte ein Volksentscheid für die Senkung der Hotelsteuer, die uferlose Erhöhung der Krankenkassenbeiträge oder Gesetze zur Bürgerüberwachung und Einschränkung demokratischer Grundrechte vermutlich keine Mehrheit gebracht.
    Allerdings ist (siehe oben) eindringlich davor zu warnen, den Volksentscheid zu blauäugig zu sehen. Stutzig macht bereits, dass ihn auch die NPD in ihrem Parteiprogramm fordert (Anlage 4  b). Und tatsächlich bedeuten Volksentscheide keineswegs automatisch direkte Demokratie: Die von einem Volksentscheid direkt Betroffenen gehen oftmals gar nicht erst zur Abstimmung, wodurch wie in Hamburg eine verbissene Minderheit ihre gegen eine lethargische Mehrheit gerichteten Pläne durchsetzen kann. Und das sogar in gewisser Weise zu Recht. Wer sich nicht einmal minimal für seine eigenen Interessen einsetzt, braucht sich hinterher nicht zu wundern. »Dieses (Nicht-)Abstimmungsverhalten macht den Volksentscheid zwar nicht zur ungerechten Sache, Mehrheit ist schließlich Mehrheit«,

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