Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen
Motivation der Mitarbeiter fördern und über kurz oder lang zu einem tief sitzenden Frust führen würde, zur »inneren Kündigung«. [617]
Nach einer Studie des Gallup-Instituts vom Januar 2009 fühlen sich kaum noch 67 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland an ihr Unternehmen gebunden und machen Dienst nach Vorschrift, 20 Prozent haben innerlich bereits gekündigt. Lediglich 13 Prozent der Beschäftigten verspüren eine echte Verpflichtung gegenüber ihrem Unternehmen und arbeiten hoch engagiert. [618] Die Schäden dieses »nicht erklärten Krieges« für die Unternehmen lassen sich zwar naturgemäß nicht exakt in Zahlen ausdrücken, dürften aber zu hoch und zu ernst sein, um sie als Lappalie abzutun.
Gleiches gilt auch für das Gemeinwesen, nur in viel größeren Dimensionen. Zwar wandern derzeit nur etwas über 150000 Deutsche jährlich aus [619] – insgesamt sind es über 600000 . [620] Weitaus schwerwiegender aber ist die innere Emigration, also die mit Politikerverdrossenheit nicht zu verwechselnde Staatsverdrossenheit. Diese Mitbürger hören auf, die Politik zu kritisieren, ja sich überhaupt für sie zu interessieren. Formal und oberflächlich betrachtet, sind sie die Traumbürger der Politiker: Sie befolgen die Gesetze, zahlen anstandslos ihre Steuern und kommen der Politik nicht durch Einmischung in die Quere. Mit einem Wort: Sie »denken sich ihren Teil« und/oder verschwinden in den bereits beschriebenen Parallelwelten.
Allerdings ist diese ständig steigende Gruppe der inneren Emigranten nur scheinbar pflegeleicht. Eher gleicht sie schlafenden Hunden, die leicht geweckt werden können: durch den Verlust von Job, Wohnung oder Partner zum Beispiel. Und was dann geschieht, kann niemand voraussehen: Von braunem Sumpf bis zu »linkem« Terrorismus erscheint nichts unmöglich.
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V Lichter am Ende des Tunnels
Menschen miteinander gibt es nicht. Es gibt nur Menschen, die herrschen,
und solche, die beherrscht werden.
Kurt Tucholsky
Achtung, hier spricht das Volk: direkte Demokratie
Unsere parlamentarische Demokratie gleicht einer Kantine, in der die Mitarbeiter zwischen fünf verschiedenen Gerichten wählen, nicht aber über den Speiseplan selbst bestimmen können. Immer populärer werden dagegen Volksbegehren und Volksentscheid. Angesichts der Tatsache, dass viele wichtigen Entscheidungen wie Euro, Hartz IV , Auslandseinsätze der Bundeswehr, Rente ab siebenundsechzig oder gar Lauschangriff gegen ausdrücklichen Willen der Bevölkerungsmehrheit getroffen wurden, wird die Aversion der Politik gegen »Einmischung« des Volkes verständlich. Parteien und Verbände haben das Land unter sich aufgeteilt und wollen keine Störenfriede. Beliebter Vorwand für den erbitterten Kampf gegen direkte Demokratie: »Das Volk« würde meist schwachsinnig und kurzsichtig entscheiden, also etwa für die Vernachlässigung der Landesverteidigung oder den Staatsbankrott zugunsten von zynisch sogenannten »Wohltaten« stimmen. Richtig daran ist: Über Reichensteuern und Existenzminimum, Bildungsetat und Zocker-Rettungsschirme, Rechtsstaatsabbau wegen frei erfundener »Terrorgefahr« und Strafen für korrupte Politiker würde das Volk mit Sicherheit anders entscheiden als die »Volksvertreter«. Dass die Bürger immer aktiver und direkter Einfluss auf politische Entscheidung nehmen wollen, zeigt sich auch an der steigenden Zahl der Volksbegehren auf Länderebene. Zwischen 1946 und 1989 gab es 28 Verfahren, 1990 bis 2009 schon 210 . [621]
Der Volksentscheid im Würgegriff der Parteien
Wenn über »wahre« oder »direkte« Demokratie gestritten wird, fällt früher oder später das Wort Volksentscheid. Von unten initiierte Volksentscheide auf Bundesebene sind nicht vorgesehen. Zwar erhielt eine entsprechende Forderung bereits am 7 . Juni 2002 im Bundestag dank der Stimmen von SPD , Grünen, PDS und Teilen der FDP eine deutliche Mehrheit, aber die Union verhinderte erwartungsgemäß die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Man möchte nicht wissen, wie viele aktuelle MdB eher für eine Monarchie oder Diktatur stimmen würden – in geheimer Abstimmung, versteht sich. Vorgeschrieben sind Volksentscheide von oben (Referenden) nur bei einer neuen Verfassung und einer Neugliederung des Bundesgebiets, etwa der Zusammenlegung von Sachsen, Bayern und Berlin.
Theoretisch möglich sind Volksentscheide dagegen in allen Bundesländern. [622]
Bevor wir zur Bedeutung der Volksentscheide für den Einfluss des
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