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Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Titel: Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
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Schlichtungsverhandlungen auf, angesichts von Facebook und Twitter sei die Zeit der Basta-Politik vorbei, und betont die immense und wachsende Bedeutung des Internets für den Widerstand. »Ohne Facebook, Twitter, E-Mail und Co. wäre tatsächlich der Druck niemals aufzubauen gewesen, der die Schlichtung überhaupt erst erzwungen hat. Sie lassen es dank ihres Komforts zu, dass sich auch sogenannte normale Bürger binnen kürzester Zeit zu politischen Initiativen versammeln – Leute also, die nicht in klassischer Weise durch politische Gesinnung verschweißt sind, sondern kurzfristig auf der Basis ihrer Empörung zusammenfinden und dann ins Räderwerk greifen.«
    andererseits weckt die allmächtige Cyberwelt das Verlangen nach einer ihr entsprechenden Wirklichkeit. Man will quasi einen realen Film, der auf einem Comic beruht, der auf einem realen Film beruht. Es wächst also »die Sehnsucht nach dem Echten. Oder man schottert: Wie ein Befreiungsschlag machte das Wort die Runde durch Talkshows und Kneipen. Die gute alte Eisenbahn. Der Widerstand des Analogen …«
    Im Ergebnis schaukeln sich laut Jähner »virtuelle Kommunikation und das Bedürfnis nach einem Maximum echter Gesellschaft … gegenseitig hoch.« So habe »der politische Bürgerwiderstand in Stuttgart oder im Wendland Formen der Selbstzelebrierung angenommen.« Und richtig erkennt er die große Gefahr: »Da wird Demokratie von unten gefeiert, aber für die beständige Teilhabe an der Politik ist damit wenig gewonnen. Es bringt auf Dauer nichts, wenn der Bürger nur dann sich beteiligt, wenn er das Kollektivgefühl genießen kann wie beim Public Viewing während der Weltmeisterschaften.«
    Womit eigentlich alles beim Alten bliebe: Auf der Strecke bleibt das langwierige, langatmige, undramatische Feld des Politischen, das der genervte Bürger lieber den Fachleuten überlässt – mit dem Resultat, dass er die Ergebnisse erst zur Kenntnis nimmt, wenn die Entscheidungen in den Gremien gefallen sind. [637]
    Weltkrieg der Systeme: globaler Angriff – globaler Widerstand
    Obwohl alle Protestbewegungen dieser Erde letztlich denselben Gegner haben – den nach Weltherrschaft drängenden, hemmungslos profitgierigen Vertreter des Marktradikalismus –, wollen diese unzähligen Bewegungen erst einmal »koordiniert« sein. Sie müssen den größten gemeinsamen Nenner finden, da sie sich sonst gegenseitig in die Quere kommen können und es häufig auch tun. Anders nämlich als manche naive Reißbrettsozialisten und andere Weltverbesserer wohl auch selbst glauben, bestehen auch unterdrückte und ausgebeutete Völker, Klassen oder Schichten keinesfalls durchweg aus solidarischen Gutmenschen. Dass viele sich selbst die Nächsten sind, zeigt sich besonders, wenn es um Arbeitsplatz und Einkommen geht. Da kämpfen Beschäftigte schon mal gemeinsam mit dem eigenen Arbeitgeber um Rettungsschirm-Millionen – man denke nur an die peinliche Solidaritätskundgebung für die abgewrackte Conti-Besitzerin, Börsenzockerin und Milliardärin Maria-Elisabeth Schaeffler [638]  –, oder sie lassen sich vom damals amtierenden NRW -Regierungschef Jürgen »Kinder statt Inder« Rüttgers gegen rumänische Arbeitnehmer aufhetzen.
    »Im Unterschied zu den Arbeitnehmern hier im Ruhrgebiet kommen die in Rumänien eben nicht morgens um sieben zur ersten Schicht und bleiben bis zum Schluss da. Sondern sie kommen und gehen, wann sie wollen, und wissen nicht, was sie tun.« [639]
    Jürgen Rüttgers am 26 . August 2009 in Duisburg im Kommunalwahlkampf
    Viel gefährlicher allerdings ist das hirnvergiftende »Standort-Denken«, und das geht so ähnlich wie auf dem Viehmarkt: Ein Konzern versteigert seine Investitionen (also Jobs, Steuern und Abgaben, Bauaufträge, Nachfrage nach Dienstleistungen und vieles mehr) meistbietend, und nun wetteifern Gemeinden, Städte, ja sogar Staaten um die Gunst des Investoren, der seelenruhig abwartet, bis eine Offerte sich von einem Geschenk kaum noch unterscheidet. Und die wählt er aus.
    Die simple Frage lautet: Wieso läuft das nicht umgekehrt? Wieso wetteifern nicht die Investoren um die Gunst einer Gemeinde? Das liegt daran, dass das Kapital auf andere Standorte ausweichen kann, was aber jederzeit zu ändern wäre, im Rahmen eines Sozialstaats allemal. Gäbe es nämlich gewisse Bestimmungen und Verbote nicht, dann fänden die Unternehmen gerade in Phasen hoher Arbeitslosigkeit Menschen, die für Kost und Logis arbeiten, und Eltern, die für eine

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