Die Rebenprinzessin
begegneten sie sich nur selten, zuweilen ließ der Graf sogar das gemeinsame Abendessen ausfallen und ihr das Essen auf ihre Kemenate bringen.
Bella gewöhnte sich daran und war nach einer Weile nicht mehr traurig darüber. Ihr Sehnen danach, vom Vater geliebt zu werden, war der Liebe zu Martin gewichen.
Eines Abends jedoch bemerkte sie, dass Oda unwohl aussah. Sie war blass und hatte dunkle Schatten unter den Augen. Bisher war sie immer das blühende Leben gewesen, besonders in der Zeit, als Roland von Hohenstein auf der Burg geweilt und ihr immer wieder unverschämte Blicke zugeworfen hatte. Jetzt dagegen schien alles ins Gegenteil verkehrt.
»Oda, was ist mit dir?«, fragte Bella, nachdem die Magd begonnen hatte, sie aus ihren Kleidern zu schälen.
»Nichts, gnädiges Fräulein«, antwortete sie und hielt weiterhin den Kopf gesenkt.
Ihren Blick mochte sie vielleicht verstecken können, aber nicht das Zittern ihrer Hände.
»Ich spüre doch, dass irgendwas mit dir ist«, sagte Bella gütig und hob sanft das Kinn der Magd.
Odas Augen wirkten auf einmal ängstlich.
»Ihr geht es schon eine ganze Weile nicht gut«, meldete sich Lies zu Wort, die mit Oda die Mägdekammer teilte. Sie war mit heraufgekommen, um ihrer Herrin beim Auskleiden behilflich zu sein. Auf ihre Worte erntete sie von Oda einen giftigen Blick.
Bella beobachtete die beiden genau, und eine seltsame Ahnung überkam sie. »Stimmt das, Oda?«, fragte sie.
Das Mädchen senkte den Kopf und antwortete nicht.
Die Grafentochter griff nach ihrer Hand. »Du kannst es mir ruhig sagen. Was ist dir?«
Lies öffnete den Mund, als wollte sie etwas darauf erwidern, doch ein kurzer Blick von Oda genügte, um sie zum Schweigen zu bringen.
Bella ließ sich nicht so leicht abwimmeln. »Fürchtest du etwa, dass ich dich nicht mehr in meinen Diensten haben will? Eine derart große Sünde kannst du gar nicht begangen haben.«
Odas Kopf schnellte nun in die Höhe, und sie blickte ihre Herrin ertappt an. »Lies, lass uns bitte allein.«
Die andere Magd warf einen kurzen Blick auf Oda, dann knickste sie und ging hinaus. Da zu befürchten war, dass sie lauschte oder durch das Schlüsselloch spähte, zog Bella Oda mit sich zum Bett und hieß sie, Platz zu nehmen.
»Also, was ist? Niemand wird erfahren, was wir beide zu besprechen haben, das schwöre ich dir.«
Oda zögerte noch immer und krampfte die Hände in ihren Rock.
Bella seufzte. Die Mutter Oberin hatte sie gelehrt, wie mit in Not geratenen Seelen umzugehen war, aber all ihre Fähigkeiten schienen bei Oda nicht zu fruchten.
Plötzlich brach das Mädchen in Tränen aus.
Bella erschrak erst, doch dann zog sie den Kopf der Magd an ihre Schulter.
»Er hat gesagt, dass er mich mitnehmen will«, brach es aus Oda heraus, lauter als gut für sie war. Schließlich sollte sich ihr Leid nicht unter dem gesamten Gesinde verbreiten. »Er hat es mir versprochen.«
»Wer hat dir was versprochen?«, flüsterte Bella und hoffte, Oda möge es ihr gleichtun.
»Der Fürst. Er sagte, er nimmt mich mit, wenn er Euch heiratet. Er wollte …«
Bella blickte einen Moment lang verwundert drein, dann jedoch war es, als würde ein Brett von ihrem Kopf abfallen, das jahrelang ihre Sicht verdunkelt hatte. All die lüsternen Blicke und zufälligen Berührungen … »Er hat dir beigewohnt, nicht wahr?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Wispern.
Odas Schluchzen verstummte augenblicklich, und ihre Augen wurden groß vor Angst.
Die Grafentochter strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn und lächelte sie an. »Was das angeht, bin ich dir nicht böse. Allerdings wäre es schändlich, wenn er dich dazu gezwungen hätte, wie er mich zwingen wollte.«
»O nein, das hat er nicht«, gestand Oda freimütig. »Er hat mir nur versprochen, dass ich Eure Kammerfrau werde und dass er …«
»Dich regelmäßig bespringt.« Bella stieß ein spöttisches Schnauben aus. Das passte zu Roland von Hohenstein. Was ihr Vater wohl dazu sagen würde, dass sein zukünftiger Schwiegersohn, der so wenig für das Gesinde übrig hatte, eine der Mägde bestiegen hatte? Wahrscheinlich würde er wie alle Männer Oda die Schuld geben, beantwortete Bella die Frage gleich selbst. »Vielleicht hätte ich den Herrn von Hohenstein doch nehmen sollen«, wandte sie scherzhaft ein. »Vielleicht wäre er ja gar nicht in mein Ehebett gekommen und hätte stattdessen dich beglückt.«
Oda begann nun wieder zu schluchzen. »Es tut mir leid, gnädiges
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