Die Rebenprinzessin
etwa doch die Runde gemacht dank den langen Ohren von Lies?
»Nun redet schon!«, sagte sie unwirsch und verzog das Gesicht, als Senna mit dem Kamm an einem Nestchen in ihrem Haar hängen blieb. Tränen schossen ihr in die Augen, und sie versuchte sich einzureden, dass nur der Schmerz daran schuld sei. Dabei sorgte sie sich um Oda.
»Sie war heute Morgen verschwunden«, rückte Lies endlich mit der Sprache heraus.
Die Worte durchzuckten Bella wie ein Blitzschlag. »Verschwunden?«
»Ja, ihr Bündel war fort, und sie war nirgends in der Burg aufzutreiben.«
Die Grafentochter wusste darauf zunächst nichts zu sagen. Wollte das Mädchen sich wirklich auf den Weg zu Roland von Hohenstein machen? Oder ging sie zu einer Engelmacherin?
»Lasst mich jetzt allein«, sagte Bella nun und nahm Senna die Bürste aus der Hand. »Meine Haare kann ich auch selbst richten.«
Die Mägde sahen sich verwirrt an.
»Nun macht schon, geht, oder habt ihr sonst nichts zu tun? Es gibt momentan keinen Heiratswerber oder Bräutigam, bei dem ich Eindruck schinden muss.«
Die Mägde knicksten eilig und verließen den Raum.
Bella sah ihnen einen Moment lang nach, dann schleuderte sie die Bürste wütend von sich. Warum ist diese Welt so?, fragte sie sich. Warum sind nur wir Frauen immer im Nachteil? Entweder werden wir verhökert oder geschwängert, und anschließend will es kein Mann gewesen sein.
Seufzend erhob sie sich und trat ans Fenster. Gegenüber, vor dem Stall, stand das Pferd des Boten. Es trug keinerlei Abzeichen am Sattelzeug, demnach konnte jeder beliebige Herr ihrem Vater eine Nachricht geschickt haben.
Bella wandte sich ab und schritt zur Tür, wo sie wie vereinbart anklopfte.
»Guten Morgen, gnädiges Fräulein«, begrüßte Heinrich Oldenlohe sie lächelnd, doch er erntete nichts weiter als einen eisigen Blick.
Dann wandte sie sich um und schritt dem Speisesaal entgegen. Der Wächter folgte ihr so leise wie ein Schatten.
Bella hatte erwartet, ihren Vater erneut mit verkrampfter Miene vorzufinden, aber an diesem Morgen wirkte er seltsam gelöst. Hatte er bereits zu dieser frühen Stunde zu viel Wein getrunken?
»Setz dich, mein Kind«, sagte er und deutete auf die lange Tafel.
Bella musterte ihn unbehaglich und ließ sich nieder.
»Ich weiß nicht, ob du es mitbekommen hast, aber in dieser Nacht ist ein Bote eingetroffen.«
Das Mädchen nickte und spürte ein leichtes Ziehen in der Magengegend, als es fragte: »Was für eine Nachricht hat er gebracht?«
»Eine sehr gute, möchte man meinen«, frohlockte der Graf und griff nach einem Stück Brot, das er in seine Morgensuppe stippte.
Zaghaft griff Bella ebenfalls nach dem Brot. Die Suppe dampfte ihr köstlich duftend entgegen, dennoch verspürte sie keinen Appetit.
»Der Herr von Hohenstein hat mir mitgeteilt, dass er es zutiefst bedauert, so überstürzt abgereist zu sein. Er will eine Heirat zwischen unseren Häusern erneut in Erwägung ziehen. Aus diesem Grund wird er uns in den nächsten Tagen noch einmal besuchen.«
Bella, die gerade einen Schluck Suppe kosten wollte, glitt der Löffel aus der Hand. Er fiel mitten in die Schüssel, worauf die warme Flüssigkeit aufspritzte und auf ihrem Kleid landete.
»Fürst von Hohenstein will noch einmal herkommen?«, fragte sie entgeistert. »Bitte, Vater, sagt mir, dass er Scherze macht.«
»Warum sollte der Fürst scherzen? Er hat sich die Sache überlegt und dir anscheinend verziehen. Das war sehr großzügig von ihm.«
Bella hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr richtig atmen zu können. Der Zorn schnürte ihr die Kehle zu. »Vater, dieser Mann hat versucht, mich zu schänden!«
»Ich bin sicher, dass er sich für den Fehltritt entschuldigen wird. Im Gegenzug wirst du dich nicht länger aufführen wie ein verzogenes Kind, sondern die Heiratswerbung ernst nehmen.«
Bella schossen die Tränen in die Augen. Hilflos hob sie die Arme, als wollte sie ihren Vater anflehen, brachte aber kein einziges Wort heraus. Was sollte sie nur tun? Warum sollte jetzt alles noch einmal von vorn beginnen?
»Woher stammt der Kratzer da?«, fragte der Graf unvermittelt, als hätte sich das Thema Heirat für ihn bereits erledigt. »Gestern hattest du den noch nicht.«
Als ob du mich gestern angesehen hättest, dachte Bella trotzig und fragte sich, wie er darauf kam. Immerhin konnte es ihm egal sein, ob sie sich verletzt hatte! »Ich habe mich an Mutters Brosche gekratzt«, schwindelte sie. »Meinem Brautgeschenk.«
»Die
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