Die Rebenprinzessin
Wüstling zu vermählen?
Fest presste er das Mädchen an sich und versuchte den Zorn, der in ihm aufstieg wie ein wütender Adler, im Zaum zu halten. »Beruhige dich«, raunte er ihr sanft ins Ohr, während er ihr übers Haar strich. »Wir werden schon einen Weg finden.«
Bella löste sich halb aus seiner Umarmung und blickte ihn anklagend an. Ihre tränennassen Augen leuchteten wie zwei Edelsteine, in die ein Strahl Mondlicht fiel. »Einen Weg finden?«, fragte sie, während ihr gesamter Körper unter wildem Schluchzen erzitterte. »Was für einen Weg willst du denn finden?«
Martin presste die Lippen zusammen, als müsste er die Worte daran hindern, ins Freie zu gelangen. Einen Gedanken hatte er bereits. Doch wäre Bella bereit, diesen Schritt zu wagen? Wäre er dazu bereit? Immerhin war er seinem Vater nach wie vorverpflichtet, und solange dieser den Ableger des Rebstockes nicht hatte, würde er keine Ruhe geben.
Die Verzweiflung auf ihrem Gesicht ließ ihn alle Scheu beiseiteschieben. »Wir könnten von hier fortgehen, noch heute Nacht.«
»Wohin?«
»Auf die andere Seite des Flusses. Meinetwegen auch weiter nach Süden. In Italien gibt es ebenfalls wunderbare Weinberge. Du müsstest nur bereit sein, die Fesseln deiner Herkunft abzulegen und zu einer gewöhnlichen Frau zu werden.«
Bella sah ihn zunächst erstaunt an, dann beugte sie sich vor und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss. »Ich bin bereit, alles abzulegen«, sagte sie, als sich ihre Lippen wieder voneinander lösten. »Bin bereit, eine einfache Frau zu sein.«
»Und dein Weinberg?« Martin deutete auf die Rebstöcke, die im Nachtwind leise raunten.
Bella ließ einen sehnsuchtsvollen Blick über das Weinlaub schweifen. »Er wird mir sehr fehlen. Aber wenn ich zwischen ihm und dir wählen muss, dann entscheide ich mich für dich.«
»Gut, lass uns keine Zeit verlieren.« Er umfasste ihre Hand und zog sie mit sich.
Kurz noch flammte der Gedanke an den Ableger des Weinstocks in ihm auf, doch dann sagte er sich im Stillen: Zum Teufel damit! Alles, was ich brauche, habe ich an meiner Hand. Der Rest wird sich finden.
Es war alles andere als klug, sich ohne Gepäck auf den Weg zu machen, nur mit den Kleidern, die sie am Leib trugen. Aber nun war es eben so.
»Lass uns zur Fähre gehen«, schlug Bella vor, als sie einen Großteil des Weinbergs hinter sich gelassen hatten.
»Zur Fähre? Willst du etwa hinüber ins Feindesland?«
Bella nickte. »Ja, wenn ich auf dieser Seite bleibe, werde ich mich stets danach verzehren, den Weinberg noch einmal zu sehen. Das darf auf keinen Fall passieren, hörst du?«
So, wie sie die Worte vorbrachte, hegte Martin keinen Zweifel daran, dass sie es ernst meinte. »Du weißt, dass der Fährmann nicht immer auf der richtigen Seite des Flusses ist.«
Bella nickte. »Ja, ich habe es nicht vergessen. Adam Höllerich hat seine Prinzipien, und denen folgt er treu wie ein alter Hund dem Befehl seines Herrn. Dennoch sollten wir es versuchen.«
Dem Burschen, der der Grafentochter erneut heimlich gefolgt war, stand der Mund offen. Scharf sog er die Luft ein, so dass er um ein Haar die Spinne verschluckt hätte, die sich an seinem Haar heruntergelassen hatte.
Prustend scheuchte er das Tier weg und starrte auf das Weinlaub.
Eigentlich war er in der Hoffnung hergekommen, noch mehr Wissen anzuhäufen, das er für bare Münze an den Grafen bringen konnte. Doch nun sah er, wie die beiden den Hang hinuntereilten – in Richtung Fluss. Und er wusste nun auch, um wen es sich bei dem Galan der Grafentochter handelte.
Von dem, was sie miteinander gesprochen hatten, hatte er nur wenig mitbekommen. Immerhin hatte er verstanden, dass sie keinen gewöhnlichen Spaziergang machen wollten. Nein, der Kerl, mit dem sich Bella heimlich traf, hatte sie zum Weglaufen angestiftet!
Diese Erkenntnis lähmte ihn einen Moment lang, dann ließ sie ihn auf dem Absatz kehrtmachen und zurück in die Burg laufen.
Na warte, Freundchen, ging es ihm hämisch durch den Sinn. Diesmal wird dich der Graf nicht einfach davonjagen. Diesmal wird er dir den Kopf abschlagen lassen.
Ein hartes Klopfen an seiner Tür riss Heinrich Oldenlohe aus dem Schlaf. Der war aufgrund eines Traumes, der den Leibwächter zurück in den Krieg und zu der brennenden Kirche gebracht hatte, in der seine Milena gestorben war, zwar nicht besonders gut gewesen, dennoch murrte er, als er sich auf seiner Bettstatt herumwälzte.
Doch der Störenfried gab keine Ruhe. »Herr
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