Die Rebenprinzessin
Brosche wirst du schon bald tragen können«, entgegnete der Graf und griff nach seinem Weinbecher.
Bella brach in Tränen aus. Sie hätte gern gewütet, geschrien und wäre aus dem Raum gelaufen, doch dazu fehlte ihr nach der zurückliegenden Nacht die Kraft. Sie weinte vor sich hin, leise und in dem Bewusstsein, dass sie ihren Vater ohnehin nicht damit rühren konnte.
Katrina war gerade dabei, ein paar Kräutersträuße am Fenster ihrer Hütte aufzuhängen, als Bella mit tränenverbrannten Wangen in ihre Hütte stürmte.
Der Kratzer an ihrer Hand war gar nicht der Grund für ihren Besuch, den hatte die junge Frau aufgrund der schockierenden Nachricht völlig vergessen.
»Kind, was ist denn passiert?«, fragte die Kräuterfrau, während sie Bella mit den Armen auffing und sich gleichzeitig ein wenig auf sie stützte, denn sie konnte jetzt unmöglich nach ihrem Stock greifen.
»Vater will mich noch immer mit Roland von Hohenstein verheiraten. Nach allem, was der Kerl mir angetan hat!«
Die Kinderfrau presste die Lippen zusammen, als müsste sie ein paar Worte daran hindern, hindurchzukommen.
»Jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll«, klagte Bella weiter. »Ich will diesen Mann nicht, denn wenn ich sein Weib würde, könnte ich mit meinem Leben abschließen. Alles, was ich von ihm erwarten kann, sind Schläge und Erniedrigungen.« Ihren Worten folgte ein Schluchzen.
Katrina fühlte sich ebenso hilflos wie damals, als sie hatte zusehen müssen, wie ihre Herrin unter den Mühen der Geburt gestorben war. Wie gern hätte sie die Gräfin am Leben erhalten, wie gern hätte sie ihre eigene Seele gegeben, aber Gott hatte es nicht so gewollt. Offenbar hatte er auch nicht vor, den Grafen umzustimmen, damit er seiner Tochter einen Gemahl suchte, der besser war als dieser Fürst von Hohenstein. Besser für Bella.
»Kannst du nicht mit ihm reden, Katrina?«, fragte Bella nun. »Immerhin warst du die Vertraute seiner Gemahlin, bevor du meine Kinderfrau wurdest.«
Katrina seufzte schwer. »Ja, das war ich. Doch wie du siehst, ist davon nichts weiter geblieben als meine Anwesenheit hier. Dein Vater hat in den Jahren, in denen du im Kloster warst, fast alle Erinnerungen verbannt. Er hat die Räume deiner Mutter zwar unverändert gelassen, ihre Kleider und persönlichen Dinge jedoch alle verschenkt. Er hat sogar deinen Kater zu einem Bauern weit entfernt von hier gebracht, nachdem das arme Tier tagelang vor deiner Kammer gesessen und erbärmlich miaut hat.«
Bei diesen Worten blickte Bella auf. »Vater hat Peterle verschenkt?«
Katrina nickte überrascht. »Hat er dir das nicht erzählt?«
Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Nein, er hat behauptet, Peterle sei getötet worden.«
Die Kinderfrau seufzte, sagte aber nichts dazu. »Komm, setz dich zu mir, wenn du magst«, meinte sie schließlich und zog Bella mit sich zu dem kleinen Tisch, auf dem die Kräuter immer noch bunt verstreut lagen. »Während ich die Sträuße binde, fällt mir vielleicht ein, was ich für dich tun kann. Aber erwarte bitte keine Wunder. Auch wenn der Graf mein Kräuterwissen sehr schätzt, bin ich doch auf seine Gnade angewiesen, und die habe ich neulich schon aufs Spiel gesetzt, als ich dir das Gesicht mit Ruß beschmiert habe.«
Bella nickte und ließ sich auf dem zweiten Schemel am Tisch nieder. Ihre Tränen trockneten allmählich, und auch das Schluchzen verschwand, das Gefühl, eine Eisenklammer ums Herz zu tragen, blieb allerdings. So sehr Katrina es auch wollte, sie würde nicht auf den Grafen einwirken können, wurde ihr auf einmal klar.
Während sie zusah, wie aus den Kräuterstängeln ordentliche Gebinde wurden, kam ihr in den Sinn, dass ihr vielleicht nur einer helfen konnte. Der, den sie heute Nacht wieder treffen wollte.
Am Abend erschien Bella vollkommen aufgelöst an ihrem Treffpunkt. Bevor Martin fragen konnte, was los sei, warf sie sich ihm in die Arme und barg ihr Gesicht schluchzend an seinem Hals.
Der Gedanke, dass sie vielleicht schwanger geworden sein könnte, durchfuhr ihn siedend heiß, denn er erinnerte sich noch gut an die Geschichte von der Magd.
Dann sagte sie jedoch: »Mein Vater hat Nachricht von Roland von Hohenstein erhalten. Der Fürst will an seinem Heiratsversprechen festhalten. In zwei Tagen kommt er mich holen!«
Martin schnappte fassungslos nach Luft. Das konnte es doch nicht geben! Empfand der Graf etwa so wenig Liebe für seine Tochter, dass er noch immer in Erwägung zog, sie mit diesem
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