Die Rebenprinzessin
früh haben wir vielleicht Zeit dazu.«
»Sehr gerne«, entgegnete er rasch und wollte noch etwas hinzufügen, doch der Anblick ihres Lächelns ließ ihn verstummen. Zu gern hätte er ihn festgehalten, aber da wandte sie sich auch schon um.
Als sie sich der Tür näherte, meinte Martin für einen kurzen Moment, das Gesicht von Thomas hinter der gegenüberliegenden Hausecke zu sehen. Spionierte er ihm etwa schon wieder nach?
Martin erlaubte sich, Bella noch ein Weilchen nachzusehen. Erst als sie im Gewimmel auf dem Hof verschwunden war, machte er sich wieder an die Arbeit.
8. K APITEL
Als der Abend über der Burg heraufzog, setzte sich Martin von den anderen Burschen ab, um den Burghof zu erkunden. Er war sich dessen bewusst, dass er als Außenseiter galt, und gewiss fingen die anderen sicher bald an, ihm zu misstrauen. Aber das war ihm erst einmal gleichgültig. Vielleicht führte es ja dazu, dass sie ihn in Ruhe ließen. Jetzt hatte er allerdings erst einmal andere Sorgen.
Ich muss einen Weg finden, um ungesehen aus der Burg zu kommen, sinnierte er, damit ich mich mit Giacomo treffen kann. Immerhin ist heute Freitag, und meine Nachricht dürfte Vater interessieren.
Die Pforte, die hinaus zum Weinberg führte, war nur eine der Möglichkeiten. Stand sie um diese Zeit überhaupt offen?
Während Martin den Hof überquerte, tauchte erneut Bellas Bild vor ihm auf. Er hatte ihr Antlitz bereits auf den Fassdauben gesehen, die er schrubbte, und danach im brackigen Waschwasser. Jetzt entdeckte er sie in den Steinen der Burgmauer und den Wänden der Gebäude, die sie passierte. Ja selbst wenn er die Augen schloss, sah er sie lächeln und spürte, wie ihre Finger seine Haut berührten.
Was ist nur mit mir los?, dachte er. Rosalinas Bild verblasst immer mehr. Warum? Ich liebe sie doch eigentlich.
»He Rübenkopf!«, tönte es plötzlich von der Seite. Als Martin sich umwandte, entdeckte er Thomas und seine Spießgesellen. Sie standen in der Nähe einer kleinen Pforte, die durch die Mauer führte. Was hatten sie hier zu suchen? Bevor ihm eine Antwort einfallen konnte, ließ der blonde Ranulf die Hand vorschnellen und packte ihn am Schlafittchen.
»Was hast du mit der Tochter des Grafen zu schaffen?«, fragte Thomas, nachdem sein Freund ihn zurechtgerückt hatte.
»Was geht dich das an?«
Der Schlag von dem dritten Burschen kam so unvermittelt, dass Martin nicht die Zeit blieb, sich wegzuducken.
»Ich frage dich noch mal. Was hattest du mit der Grafentochter zu bereden?«
»Und ich sage dir noch einmal, das geht dich nichts an!«
Der nächste Schlag ließ seine Lippe platzen. Blut ergoss sich salzig über seine Zunge. Auf einmal war es Martin, als würde in seinem Inneren etwas zerreißen. Wahrscheinlich war es der Geduldsfaden. Sollte er sich etwa alles gefallen lassen? Was, wenn Bella ihn so sehen könnte? Sie würde ihn für einen Schwächling halten. Nicht, dass er vorhatte, mit ihr anzubandeln, dennoch war es ihm aus irgendeinem Grund wichtig, was sie von ihm dachte.
»Na, was ist?«, bohrte Thomas weiter. »Sagst du es mir nun, oder muss ich dir erst ins Gesicht pissen?«
Als er an seinen Hosenbeutel griff, spannte Martin die Muskeln an, packte dann seinen Angreifer mit einem lauten Aufschrei und schleuderte ihn mit unvermuteter Kraft zur Seite.
Den Blonden traf die Attacke so überraschend, dass er den Halt verlor und zu Boden ging. Der Griff um Martins Kragen löste sich, und im nächsten Augenblick war der Grafensohn frei.
Blitzschnell sprang er auf die Beine. Der Dunkelhaarige neben Thomas wollte ihm gerade einen Schlag versetzen, da duckte Martin sich trotz der pochenden Lippe und rammte seinem Widersacher den Kopf in die Magengrube. Mit einem lauten Schrei trieb er ihn nach hinten, so dass er wenig später gegen die Mauer krachte. Schnaufend entwich dem Burschen die Luft aus den Lungen.
Martin trat zurück, und während er sich aufrichtete, wandte er sich Thomas zu. Der hatte inzwischen einen Knüppel entdeckt und schlug damit nach ihm. Diesmal war Martin nicht schnell genug. Der Knüppel traf ihn an der Schläfe und ließ ein Sternenmeer vor seinen Augen explodieren. Er stöhnte auf, doch sein Wille, es den anderen heimzuzahlen, war dadurch nicht gebrochen. Noch während er versuchte, das Gleichgewicht wiederzufinden, holte Thomas erneut aus. Bevor der Knüppel ihn ein zweites Mal treffen konnte, donnerte hinter ihnen jedoch eine Stimme: »Aufhören! Was zum Teufel soll das?«
Christian
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