Die Rebenprinzessin
Dubelaar trat neben sie und stemmte die Hände in die Seiten.
»Der Kerl hier hat Streit angefangen!«, log Thomas, während er den Knüppel sinken ließ.
»Und da braucht es drei von euch, um ihn davon abzubringen?«, gab der Fassmeister zurück. »Und obendrein einen Knüppel, wo der Junge keinen hat?«
Die Burschen schwiegen betreten, aber Martin spürte, dass ihre Blicke ihn immer wieder wie Armbrustbolzen trafen.
»Jetzt schert euch wieder an eure Arbeit oder zum Teufel!«
Ohne zu zögern rückten Thomas und seine Spießgesellen ab. Bevor sie ganz verschwanden, warfen sie Martin allerdings noch Blicke zu, die ihm klarmachten, dass dies gewiss nicht die letzte Auseinandersetzung war.
»Und du komm mit!«, sagte der Fassmeister zu Martin. »Du siehst aus, als hätte dich der wilde Rufus mit seinen Hufen erwischt.«
»Der wilde Rufus?«
»Eines der Leibpferde des Grafen. Der wildeste Hengst, den die Gegend jemals gesehen hat.«
Erst jetzt bemerkte Martin das Blut, das ihm an der Wange klebte. Er wischte sich unbeholfen darüber und zuckte zusammen, da es sich anfühlte, als würde er auf rohes Fleisch treffen. Thomas mochte vielleicht ein Feigling sein, aber mit einem Knüppel in der Hand war er extrem gefährlich.
In der Küferei angekommen, holte Christian Dubelaar eine Schüssel hervor und goss Wasser ein. Daneben legte er ein Tuch. »Hier, säubere dich.«
Martin dankte ihm mit einem Nicken und löste die Bänder seines Hemdes.
»Ich nehme mal an, dass du nicht mit dem Streit angefangen hast«, fragte der Fassmeister, während er im hinteren Teil der Werkstatt verschwand. Was er dort suchte, wusste Martin nicht, aber er vernahm die Stimme des anderen noch immer laut und deutlich.
»Das habe ich nicht, Meister.«
»Was hat die drei denn so in Rage gebracht?«
»Sie wollten etwas von mir wissen, was ich ihnen nicht sagen wollte.«
Von Bella würde er dem Mann ganz sicher nicht erzählen, schließlich stand es einem einfachen Gehilfen nicht zu, mit der Tochter des Grafen zu sprechen. Er wollte sich deswegen nicht auch noch eine Rüge von Christian Dubelaar einhandeln.
»War es etwas, das deine Arbeit betrifft?«, fragte der Fassmeister, denn natürlich war er neugierig geworden.
»Nein, etwas Persönliches.«
Martin hätte ihm nun erzählen können, dass sie nicht zum ersten Mal mit ihm Streit angefangen hatten, aber das sparte er sich. Immerhin war er ein erwachsener Mann, alt genug, um hier zu spionieren. Und damit auch alt genug, um seine Händel selbst auszutragen.
»Hüte dich vor den Burschen«, brummte Christian Dubelaar nach kurzer Überlegung. »Es wäre nicht das erste Mal, dass sie einen Neuen, der ihnen nicht passt, von der Burg ekeln.«
Martin blickte den kräftigen, dunkelhaarigen Mann überrascht an. Nachdem dieser ihm die schlechtesten Fässer zum Schrubben gegeben hatte, hätte er solche Worte nicht von ihm erwartet.
»Warum machen sie das?«, fragte Martin, während er sich Wasser ins Gesicht spritzte. »Ich habe ihnen nichts getan.«
»Man kann nicht immer sagen, warum einen andere Menschen hassen. Aber man kann es vermeiden, ihnen einen Anlass zu geben.«
Martin schnaubte spöttisch. »Als ob sie einen Anlass bräuchten!«
Der Fassmeister trat neben ihn und lächelte ihn an, als wollte er sagen, dass es für die Menschen manchmal auch keinen Grund geben musste, andere zu mögen.
»Nachdem du dich heute zur Wehr gesetzt hast, werden sie es sich überlegen, ob sie dir weiter nachstellen sollen. Sieh zu, dass du ihnen nicht unter die Augen kommst, das ist mein Rat.«
Kein besonders guter Rat, ging es Martin durch den Kopf, doch er nickte nur und tat, als wollte er ihn annehmen.
Der Anblick der Tauben, die in der Abenddämmerung auf ihrem Fensterbrett gelandet waren, hatte eine seltsam beruhigende Wirkung auf Bella. Gleichzeitig erfüllten die Tiere sie mit Wehmut.
Eigentlich gehörten die Tauben in ihren Schlag, aber als wüssten sie, dass hier eine traurige Seele wohnte, erschienen sie, pickten gegen die Fenster und gurrten, als wollten sie mit ihr sprechen.
Bella betrachtete die Vögel lächelnd, dann ließ sie ihre Gedanken über den breiten Fluss schweben, hinauf zu den Wolken, die sich grau und rot vor die Abendsonne schoben. Das Gurren der Tauben erlaubte ihr, von Freiheit zu träumen. Einer Freiheit, die sie nicht hatte – und vielleicht niemals haben würde.
Sie saß auf ihrem Bett, bekleidet mit dem rot-grünen Gewand, und sollte sich eigentlich darauf
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