Die Rebenprinzessin
vorbereiten, ihren Pflichten als Tochter des Grafen nachzukommen. Aber so recht wollte es ihr nicht gelingen.
Ihrem Vater war sie seit der Auseinandersetzung am Vormittag nicht wieder begegnet. Wahrscheinlich hatte er alle Hände voll zu tun, um Hans von Uhlenfels zu besänftigen. Sie selbst hatte es vorgezogen, zu Katrina zu gehen und mit ihr die Mittagsmahlzeit zu teilen.
Als sie der Kinderfrau von den Ereignissen der vergangenen Stunden erzählte, schüttelte diese nur den Kopf.
»Was soll ich dazu nur sagen, mein Kind?«, fragte Katrina dann. »Reize deinen Vater nicht noch mehr, je schlimmer du es treibst, desto trotziger wird er reagieren.«
»Kannst du ihm denn nicht ins Gewissen reden?«
»Wer bin ich schon, dass ich meinem Herrn zu sagen hätte, was er tun soll. Ich kann froh sein, dass er mich hier auf der Burg duldet. Was den Spaß mit den Kleidern angeht, so habe ich dir gern geholfen. Aber mehr wage ich nicht. Bedenke, eine Kinderfrau hat ohne Kinder auf der Burg keine Beschäftigung. Wenn es deinem Vater beliebt, wird er mich wegschicken, genau so wie er dich verheiraten wird.«
Nach diesen Worten sehnte sich Bella erst recht ins Kloster zurück.
Warum breche ich nicht einfach aus?, dachte sie. Warum verlasse ich die Burg nicht und schlage mich irgendwohin durch? Ich habe genug Kenntnisse vom Wein, um mich auf ein Gut zu begeben.
Die Antwort kam ihr prompt in den Sinn. Weil du deinen Weinberg liebst. Und weil du auch deinen Vater liebst. Selbst wenn du jetzt zornig auf ihn bist, da seine Gefühle für dich nicht mehr die gleichen sind.
Ein Kratzen an der Tür ließ Bella von ihrem Rocksaum aufblicken.
»Komm herein!«
Wenig später steckte eine der Mägde zaghaft den Kopf durch den Türspalt.
»Gnädiges Fräulein, Euer Vater schickt mich, um …«
»Um mich zum Abendessen zu holen, ich weiß«, beendete Bella den Satz und erhob sich vom Bett.
Die Magd senkte scheu den Blick, während die Grafentochter an ihr vorbeirauschte.
Kurz darauf betrat Bella jenen Raum, den ihre Mutter immer die »Rebenstube« genannt hatte – ihr offizielles Esszimmer. Hohe Fenster waren in die Wände eingelassen worden, und die Gräfin hatte dafür gesorgt, dass die Wandflächen dazwischen mit Weinlaub und Ranken ausgemalt waren. Satte blaue Trauben hingen unter Weinblättern, die aussahen, als hätte jemand sie frisch von einem Rebstock gezupft und an die Wand geklebt.
Der Anblick brachte Bella kurz die Erinnerung an ihre Mutter zurück. Wie sie ihren Weinbecher an die Lippen gehoben und ihrer damals noch kleinen Tochter eine entkernte, von der Schale befreite Traube in den Mund geschoben hatte.
Aus diesem kleinen Tagtraum schreckte sie auf, als sich Hans von Uhlenfels vor ihr verneigte.
»Das gnädige Fräulein sieht heute wieder entzückend aus«, rief er.
Um ein Haar hätte Bella darauf geantwortet: »So entzückend wie bereits gestern.« Aber sie hielt sich zurück.
Ihr Vater würdigte sie diesmal lediglich eines flüchtigen Blickes. Viel interessanter schien er die Gravuren seines Weinbechers zu finden.
Nachdem sich Bella auf ihrem Platz niedergelassen hatte, entstand ein klammer Augenblick des Schweigens. Ihr Vater wollte ganz offensichtlich nicht mit ihr reden, und der Gast wusste nicht recht, wo er anfangen sollte.
Vielleicht erwarten beide, dass ich mich entschuldige?, ging es ihr durch den Sinn. Nur warum sollte ich das schon wieder tun?
»Wie bedauerlich, dass der Herr Hohenstein nicht eingetroffen ist«, sagte sie schließlich, obwohl sie nicht das geringste Bedauern empfand. »Aus welchem Grund mag er sich verspätet haben?«
»Nun ja«, begann Hans von Uhlenfels, aber er brach ab, als die Diener hereinkamen und das Essen brachten. Schalen mit Gemüse, Platten mit Fleisch und Geflügel sowie ein Korb frisches Brot und eine Schüssel mit Weintrauben wurden hereingetragen.
Bella konnte förmlich beobachten, wie dem Heiratswerber das Wasser im Mund zusammenlief. Wahrscheinlich blieb er ihr deshalb eine Antwort schuldig.
Vom anderen Ende der Tafel blickte ihr Vater missmutig zu ihr herüber. Bella erwiderte seinen Blick kühl. Diesmal konnte er ihr nicht vorwerfen, etwas falsch gemacht zu haben, denn die Frage nach dem Verbleib ihres Bräutigams war legitim – wenn auch nicht ehrlich.
»Es ist schwer zu sagen, was ihn aufgehalten hat«, beantwortete Graf von Uhlenfels die Frage, nachdem ihm ein Diener Fleisch, Wurzelgemüse und Kohl aufgelegt hatte. »Wie ich selbst erfahren habe, sind
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