Die Rebenprinzessin
ein vertrauter Geruch nach Leder und Kragenspeck in die Nase. Im selben Augenblick, als er eine Dolchklinge an seinem Hals spürte, schob sich ein Gesicht in sein Blickfeld.
»Verdammter Italiener!«, presste er panisch durch die Zähne. »Was zum Teufel soll das?«
»Ihr solltet nicht vom Teufel sprechen, junger Herr«, gab Giacomo spöttisch zurück, während er die Klinge zurückzog. »Vertraut in diesem Fall eher auf Gott.«
Martin war nicht nach den Scherzen des Lombarden zumute. Und erst recht nicht nach seinen Belehrungen.
»Soll das jedes Mal so gehen?«, schimpfte er, während er sich von seinem Angreifer losmachte.
Giacomo hielt das anscheinend alles für einen großen Spaß. »Beruhigt Euch, junger Herr«, entgegnete er lachend. »Ich wollte Euch nur eine kleine Lektion erteilen. Die Lektion, sich nirgendwo sicher zu fühlen.«
»Als ob ich das auf der Burg tun würde!« Hastig klopfte sich Martin die Blätter von den Kleidern. Wenn er so am Morgen aus dem Stroh trat, würden die anderen sich gewiss fragen, was er die ganze Nacht über getrieben hatte. Am liebsten hätte er dem Spion einen Hieb auf die Nase verpasst.
»Man kann nie wissen.« Der Italiener schob seinen Dolch in die Scheide zurück. »Aber kommen wir nun zum Grund unseres Treffens. Habt Ihr schon etwas herausgefunden, was ich Eurem Vater mitteilen kann?«
Martin schluckte seinen Ärger hinunter. »Ich habe in der Tat etwas entdeckt. Allerdings wird es eine Weile dauern, bis ich es in die Finger bekomme.«
»Und was wäre das?«
»Der Graf von Katzenburg zieht eine neue Sorte Wein auf seinem Weinberg.«
Giacomo zog die Augenbrauen hoch. »Eine neue Sorte? Wie nennt man sie?«
»Ich weiß es nicht. Und ich habe auch keine Ahnung, um welche Sorte es sich handelt. Aber ich bin zuversichtlich, dass ich eine Pflanze besorgen kann.«
»Was soll daran so lange dauern?«
»Ich kann nicht einfach einen Trieb abschneiden und ihn dann in einen Topf mit Erde stecken. Ich muss erst einen Ableger erzeugen, sonst ist alles vergebens.«
Der Italiener grinste breit, was Martin dazu trieb, sich zu fragen, ob er in der Zwischenzeit etwas zu sehr dem Wein zugesprochen hatte. Irgendwie musste er sich ja in den vergangenen Stunden wachgehalten haben. Hatte er vielleicht sogar mit Adam Höllerich gezecht?
»Wie wollt Ihr die neue Sorte erkennen?«, fragte Giacomo schließlich. Trunkenheit war seinen Worten nicht anzumerken, auch nahm Martin keine Weinfahne wahr. Dennoch blieb sein Verdacht.
»Die Tochter des Grafen wird mich zu ihr führen.«
Der Italiener wirkte für einen Moment ehrlich erstaunt. »Die Grafentochter? Sie ist wieder hier?«
Giacomo diente dem Graf von Bärenwinkel bereits lange genug, um zu wissen, dass sein Konkurrent seine einzige Tochter ins Kloster geschickt hatte. Darüber hatte man sich in der Gegend sehr gewundert, denn eigentlich war das Schicksal der ältesten Tochter eher, gut verheiratet zu werden. Aber seit dem Tod seiner Gemahlin war Rudolph von Katzenburgs Geist in Finsternis gestürzt, jedenfalls was seine persönlichen Beziehungen betraf.
»Ja, sie ist gestern angekommen«, antwortete Martin. »Und weil das Glück auf meiner Seite ist, habe ich sie bereits kennengelernt.«
»So, Ihr habt sie bereits kennengelernt!«
Martin entging der Unterton dieser Worte nicht. »Nicht so, wie Ihr vielleicht meint!«, wehrte er ab. »Wir sind uns im Weinberg begegnet, und sie hatte Mitleid mit mir.«
»Aha, Mitleid nennt Ihr das also.« Giacomo kicherte.
»Ihr solltet besser aufpassen, was Ihr sagt!«, fuhr Martin ihn nun an. »Ich habe mit der Grafentochter gesprochen, und sie wird mir den Weinberg zeigen. Ich werde versuchen, von einem der neuen Rebstöcke einen Ableger zu erzeugen. Sobald er Wurzeln geschlagen hat, werde ich ihn abtrennen und einpflanzen.«
Trotz seiner Warnung grinste der Italiener die ganze Zeit über. Martin konnte sich denken, was Giacomo sich bei Weinberg, Ableger oder Wurzeln dachte, und am liebsten hätte er ihm einen Hieb verpasst, der ihm diese Gedanken austrieb, aber bei einem Kampf hätte er sicher den Kürzeren gezogen.
»Wie lange dauert es, bis der Ableger Wurzeln geschlagen hat?«, fragte Giacomo, nun um Ernsthaftigkeit bemüht.
»Eine Weile. Solange werde ich hierbleiben.«
»Wie Ihr wünscht, junger Herr. Aber nehmt Euch in Acht vor dem Weinberg der jungen Gräfin. Man kann sich leicht darin verlieren.«
»Lasst das nur meine Sorge sein, Italiener!«, entgegnete Martin und
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