Die Rebenprinzessin
signalisierte dem Boten durch eine leichte Drehung, dass das Gespräch seinerseits beendet war.
Giacomo verstand und verbeugte sich leicht. »Dann wünsche ich Euch viel Erfolg. Nächsten Freitag werde ich Euch berichten, was Euer Vater gesagt hat. Solltet Ihr bis dahin noch ein anderes Geheimnis ergründen, vertraut es mir ruhig an.« Mit diesen Worten verschwand er im Gebüsch.
Erst jetzt fiel Martin wieder die zugefallene Tür ein. Mit einem leisen Murren schlug er sich selbst gegen die Stirn. Dem Italiener nachlaufen wollte er nicht, da hätte es nur wieder Spott und Belehrungen gesetzt. Nachdem der erste Ärger verflogen war, dachte Martin nach. Ein Seil!, schoss es ihm in den Sinn. Wenn ich Glück habe, finde ich an der Anlegestelle eines.
Kurzerhand strebte er also dem Fluss zu.
Zunächst umgaben ihn ausschließlich die Geräusche des Waldes. Das Rauschen der Bäume, die Rufe der Käuzchen und das Rascheln im Gras, wenn Füchse und Hasen vor ihm die Flucht ergriffen.
Dann jedoch drang das Rauschen des Flusses an sein Ohr, und wenig später konnte er das Glitzern des Wassers zwischen den Baumstämmen ausmachen. Er folgte dem dunklen Band, passierte eine Sandbank und erblickte schließlich den Fährsteig vor sich. Die Fenster der Hütte waren dunkel, doch daran, dass die Fähre an der Anlegestelle festgemacht war, erkannte er, dass Adam Höllerich im Haus war.
Wie gut mag wohl sein Schlaf sein?, fragte sich Martin, während er sich so leise wie möglich dem Gebäude näherte. Seile konnte er noch nicht erkennen, aber vielleicht fand er welche auf der gegenüberliegenden Seite.
Er umrundete das Fährhaus, ohne auch nur ein Anzeichen vom Erwachen des Hausherrn zu entdecken, bis er schließlich einen kleinen Unterstand erreichte. Mondlicht beleuchtete einen Hauklotz, in dem ein Beil steckte – und einige Seile.
Adam wird es vielleicht nicht merken, wenn ich mir eines ausleihe, dachte er und streckte die Hand aus.
Plötzlich packte ihn jemand im Genick. Martin schnappte erschrocken nach Luft, da wurde er auch schon herumgewirbelt. Hart prallte er gegen die Hauswand und fiel zu Boden. Als er den Kopf hob, erkannte er seinen Angreifer.
Über ihm, im Mondlicht, ragte bedrohlich die Gestalt des Fährmanns auf, der in der Hand die Axt aus dem Hauklotz hielt.
»Warum zum Teufel schleichst du um mein Haus, Bursche?«, brummte er, dann stutzte er und sagte: »Du?«
Offenbar hatte er Martin wiedererkannt. Das erleichterte den jungen Mann allerdings nicht.
»Bist also doch in Schwierigkeiten geraten und willst übergesetzt werden?«, fragte der Fährmann nun.
Martin hätte einfach bejahen können, aber er vermutete, dass Adam eine Lüge erkennen würde. »In so großen Schwierigkeiten bin ich nun auch wieder nicht«, gab er daher zurück. »Aber es würde mir schon helfen, wenn Ihr mir ein Seil leihen könntet.«
»Wozu?«
»Ich habe mich ausgesperrt«, antwortete Martin wahrheitsgemäß.
»Und du kannst nur durch ein Seil wieder hineinkommen?«
»Ja.«
Martin fixierte die Axt in Adam Höllerichs Hand. Es würde den Fährmann gewiss keine große Anstrengung kosten, ihm damit den Schädel zu spalten.
Sein rasendes Herz pumpte das Blut fast schon schmerzhaft durch seine Adern. Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg oder weiteren erklärenden Worten, die ihn vielleicht retten konnten. Doch sein Verstand war auf einmal wie leer gefegt. Nur die Angst war noch da.
Der Fährmann musterte ihn eine ganze Weile, dann riss er die Hand hoch. Wenig später bohrte sich das Axtblatt wieder in den Hauklotz. Martin zuckte bei dem Geräusch zusammen und schalt sich selbst einen elenden Feigling.
»Also gut«, donnerte der Bass des Fährmanns über ihn hinweg. »Nimm eins von den Seilen. Aber bring es mir wieder zurück.«
Damit reichte er Martin die Hand und half ihm wieder auf die Beine, die zitterten, als hätten sich seine Knochen selbst in Seile verwandelt.
»Das werde ich, Fährmann, ich verspreche es.«
Adam Höllerich griff nach einem Strick, der stark genug war, Martin zu halten, und nachdem er ihn kurz überprüft hatte, drückte er ihn dem Jungen in die Hand.
»Dann wollen wir mal sehen, was dein Wort gilt.« Mit diesen Worten bedeutete er dem Jungen, dass er verschwinden könne.
Martin nahm auch prompt die Beine in die Hand, und erst als er in die schützende Dunkelheit des Waldes eingetaucht war, wagte er, laut zu atmen.
9. K APITEL
Erneut war erst die dritte Stunde angebrochen, als Bella
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