Die Rebenprinzessin
eine schlechte Wendung nehmen, fürchte ich.«
Die junge Frau konnte deutlich das Zittern in seiner Stimme vernehmen. Stimmte etwas nicht? Am liebsten hätte sie nachgefragt, aber sie hatte nicht den Mut dazu. Außerdem wollte sie den wunderbaren Moment, den sie soeben erlebt hatte, nicht durch eine Antwort zerstören, die sie eigentlich nicht hören wollte. Noch einmal lächelte sie Martin an und streichelte ihm kurz das Gesicht. Dann wandte sie sich um und gesellte sich wieder zu den anderen.
Wenn sie schon nicht bei Martin sein durfte, wäre sie am liebsten hier geblieben, doch kaum war sie wieder in der Sichtweite des Grafen, beorderte er Heinrich Oldenlohe zu ihr.
Der Bote war heute ausnahmsweise mal unbewaffnet, jedenfalls auf den ersten Blick. Bella war allerdings sicher, dass er unter dem Wams oder im Stiefel einen Dolch mit sich führte.
Er verneigte sich, wobei ihm eine Locke in die Stirn fiel, dann sagte er: »Euer Vater hat mich beauftragt, Euch zurückzuholen, gnädiges Fräulein.«
Die Art, wie er sie musterte, gefiel Bella nicht. Hatte er etwa beobachtet, wie sie mit Martin gesprochen hatte? Aus dem Gesicht des Mannes, der Geheimnisse zu hüten wusste, war auch diesmal nichts herauszulesen. Also nickte sie und versuchte sich dadurch ein wenig zu motivieren, dass schon bald das köstlich duftende Schwein angeschnitten werden sollte.
»Ah, gut dass du kommst, mein Kind«, sagte ihr Vater ungewohnt freundlich, als sie ihrem Platz zustrebte. Seine Hand krallte sich jedoch fest in ihren Unterarm, um sie zum Stehenbleiben zu bewegen.
Hatte sie sich zuvor noch auf den Braten und den Wein gefreut, zog sich ihr jetzt der Magen zusammen. Ihr Gespür sagte ihr, dass sich etwas hinter den Worten des Grafen verbarg, das ihr ganz sicher nicht gefiel. Sie umklammerte die Stängel der Weinblätter fester, so als könnten sie ihr Halt geben bei dem, was nun folgte.
»Fürst von Hohenstein hat beschlossen, dich als seine Braut mit auf sein Schloss zu nehmen«, eröffnete ihr Vater Bella ohne Umschweife. »Und zwar gleich nach dem Ende der Lese. Nach einer angemessenen Verlobungszeit werdet ihr vor den Altar treten und den Bund der Ehe schließen.«
Bella konnte darauf erst einmal nichts erwidern. Sie fühlte sich, als hätte sie von ihrem Vater eine ganz furchtbare Ohrfeige einstecken müssen. Gleichzeitig begannen ihre Gedanken zu rasen. Die Lesezeit würde bestenfalls nur noch ein paar Tage dauern. Offiziell war sie beendet, wenn der Wein von Koblenz gesegnet war. Und dann sollte sie mit diesem Scheusal abreisen? Seine Frau werden? Es war ein Wunder, dass der Graf nicht gleich Pater Anselm heranholte, um sie an Ort und Stelle zu vermählen.
Fassungslos blickte sie ihren Vater an. Die grinsende Visage des Fürsten nahm sie zwar nur beiläufig wahr, aber sie heizte ihren Zorn nur noch weiter auf. Auf einmal fühlte sie sich, als hätte der Boden unter ihren Füßen zu schwanken begonnen. Sie tastete nach der Lehne ihres Stuhls, um Halt zu finden, doch es wurde nicht besser.
Was bewog Roland von Hohenstein zu dieser Eile? Spürte er, dass die Hochzeit mit ihm eine Strafe war, und wollte sie quälen? Und warum in aller Welt bemerkte ihr Vater das nicht?
»Was sagst du dazu, Tochter?«, fragte Rudolph von Katzenburg und hob zufrieden lächelnd den Becher an die Lippen.
Bella hatte dazu nichts zu sagen. Sie glitt schockiert auf ihren Stuhl und richtete den Blick aufs Feuer. Egal, ob sie etwas erwiderte oder nicht, ihr Vater hörte ja doch nicht auf sie.
Es hatte einen Grund gegeben, warum Martin Bella weggeschickt hatte. Während er mit ihr sprach, hatte er gemeint, aus dem Augenwinkel heraus eine Bewegung zu erkennen. Sein Verdacht hatte sich wenig später bestätigt. Es war Thomas, der sie beobachtet hatte.
Verdammt, lässt mich dieser Kerl denn nie in Frieden?, dachte Martin, während er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Beunruhigung überkam ihn. Mit der Grafentochter zu sprechen war nichts Schändliches, aber was, wenn der finstere Geselle auch den Kuss zwischen ihnen gesehen hatte? Wenn er nun versuchte, es zu seinem Vorteil auszunutzen? Vielleicht hätte ich anstatt der Juristerei Menschen studieren sollen, ging es ihm durch den Sinn. Doch welche Universität lehrte dieses Fach? Nur jene, die man Leben nannte. Martin fühlte sich, was das anging, furchtbar unwissend – besonders im Hinblick auf Thomas’ unerklärliche Feindschaft.
Nachdem der letzte Fidelstreich verklungen, der letzte
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