Die Rebenprinzessin
an diesem Ritt teilnehmen darf. Diese Ehre gebührte früher nur meiner Mutter.«
Sie ließ den Blick zu ihrem Vater schweifen und merkte, dass die Worte ihre Wirkung nicht verfehlt hatten. Augenblicklich wandte er den Blick ab und gab vor, die Pferde zu beobachten. Auch der Fürst schien mit dieser Erwiderung nicht gerechnet zu haben. Zorn blitzte in seinen Augen auf, und seine Kiefermuskeln bewegten sich auf und ab, als müsste er seine Erwiderung wie harte Nüsse zerbeißen.
»Eine hübsche Krone tragt Ihr da«, brachte er schließlich ein wenig säuerlich hervor. »Wer hat sie für Euch gemacht?«
»Ich selbst«, entgegnete Bella schnippisch.
»Ist das nicht eher der Schmuck für eine Magd?«
»Mitnichten, Euer Gnaden. Wein ist unser Reichtum, daher soll Weinlaub mein Schmuck sein. Jedes einzelne dieser Blätter trage ich tausend Mal lieber als alles Geschmeide in Euren Schatztruhen.« Mit diesen Worten deutete Bella einen Knicks an und ging zu den Pferden.
Roland von Hohenstein hatte es beinahe geschafft, ihr die Freude an diesem Morgen zu verderben. Doch als sie nach den Zügeln des Apfelschimmels griff, dem ein Damensattel aufgelegt worden war, spürte sie wieder den Brief im Ärmel ihres Gewandes. Während ihr Herz gleichsam freudig und ungeduldig pochte, huschte ein versonnenes Lächeln über ihr Gesicht.
Als sich alle Teilnehmer der Prozession auf dem Burghof versammelt hatten, saßen die Reiter auf. Der Kutscher des Wagens, den die Mägde mit Weinlaub geschmückt hatten, begab sich auf den Bock, und wenig später strömte der Zug durch das Tor.
Bella ritt zwischen Roland von Hohenstein und ihrem Vater, würdigte jedoch keinen von ihnen auch nur eines Blickes. Eher interessierte sie sich für den armen Pater Anselm, dem der Ritt sichtlich Unbehagen bereitete. Sein Gesicht hatte eine grünliche Färbung angenommen, und sein Blick war schon beinahe fieberhaft auf den Weg vor ihm gerichtet. Obwohl sein Pferd sehr ruhig dahinschritt, schien er zu befürchten, jeden Augenblick abgeworfen zu werden.
Eine Stunde später erreichten sie das erste Dorf, das den Namen Rebwald trug. Es war eines der größten des Lehens, und wie Bella feststellen konnte, hatte es sich in der vergangenen Zeit sehr zu seinem Besten verändert. Einige der Häuser waren sogar so groß, dass sie vielleicht auch in einer Stadt hätten stehen können. Bella vermutete hinter den Mauern Handwerker, deren Geschäfte recht gut liefen.
Da schon vor Stunden ein Herold durch die Straßen geritten war, um den Zug anzukündigen, hatten sich sämtliche Bewohner bereits an den Straßen und um den Dorfplatz herum versammelt. Als sie den gräflichen Zug kommen sahen, jubelten die Menschen ihnen zu. So ging es, bis sie sich dem Dorfplatz näherten.
»Ein schönes Lehen«, bemerkte Roland von Hohenstein durch den Jubel hindurch, während er den Blick über die Häuser schweifen ließ. »So große Häuser … den Menschen hier scheint es gutzugehen.«
Rudolph von Katzenburg nickte stolz. »Ja, gottlob. Nicht jede Gemeinde auf meinem Besitz blüht dermaßen prächtig wie diese.«
Der Fürst versank einen Moment lang in Nachdenklichkeit. Als Bella ihn musterte, hätte sie schwören können, einen Abakus hinter seiner Stirn auftauchen zu sehen.
»Ich könnte mir gut vorstellen, dass es diesem Lehen nicht schaden würde, wenn Ihr die Schraube ein wenig fester anziehen würdet. Was nehmt Ihr an Steuern ein?«
Die nicht unerwartete Geldgier, die in Roland von Hohensteins Worten mitschwang, erregte Bellas Zorn, so dass sie sich nicht länger zurückhalten konnte.
»Glaubt Ihr wirklich, dass dieses Lehen so prächtig wäre, wenn wir die Menschen bis aufs Blut auspressen würden?«, fuhr sie den Fürsten an.
»Bella!«, ertönte die mahnende Stimme ihres Vaters, doch sie ließ sich nicht von ihren Worten abbringen.
»Wenn wir die Schraube fester anzögen, wie Ihr es zu nennen beliebtet, würden wir in ein paar Jahren durch eine Einöde reiten. Beinahe jedermann, der hier lebt, ist seinem Grafen leibeigen, und damit steht unsere Familie in der Pflicht, für die Menschen zu sorgen und sie nicht wie Hühner zu rupfen.«
»Bella, es reicht!«, fuhr der Graf sie scharf an.
Wie die junge Frau beobachten konnte, schwoll die Ader an seiner Stirn an, und seine Wangen wurden dunkelrot. Der Geistliche neben ihm duckte sich, als hätte der Schimpf ihm gegolten.
Roland von Hohenstein wiederum wirkte ein wenig blässlich und betrachtete sie, als hätte
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