Die Rebenprinzessin
seinen Becher an und nahm einen hastigen Schluck.
Bella blickte ihn anklagend an. Du musst schon ein ganzes Fass mit einem Zug ausleeren, um dir eine Antwort zu ersparen, dachte sie.
»Du warst die ganze Zeit über im Kloster«, entgegnete Rudolph von Katzenburg kühl, nachdem er den Becher wieder abgesetzt hatte. »Außerdem bin ich der Herr der Burg und für den Weinberg verantwortlich. Du wirst schon bald deinen eigenen Hof haben, um den du dich kümmern kannst. Ich habe es nicht für notwendig gehalten, dich in Kenntnis zu setzen, und wundere mich, dass du überhaupt davon weißt.«
Auf diese Worte wurde es still. Bella ließ kurz den Blick über die anderen Anwesenden schweifen. Roland von Hohenstein grinste, als hätte er schon etliche Becher zu viel intus, Hans von Uhlenfels blickte peinlich berührt nach unten. Die Schankmägde hielten ihre Blicke sowieso gesenkt, aber gewiss dachten sie sich ihren Teil.
Auf einmal kam sich Bella vor, als würde sie hier ersticken. Keine noch so enge Zelle im Kloster konnte schlimmer sein.
»Verzeiht, ich muss ein wenig an die frische Luft«, sagte sie, und ohne die Erlaubnis ihres Vaters abzuwarten, erhob sie sich und lief aus dem Saal.
Die Magd, die gerade neuen Wein einschenken wollte, wich zurück und hätte um ein Haar den Krug fallen lassen, aber Bella kümmerte sich nicht darum.
Zorn und Übelkeit wüteten in ihr. Mittlerweile konnte sie nur noch schwerlich glauben, dass die Trauer ihren Vater in einen derart hartherzigen Mann verwandelt hatte. Aus seinem Verhalten konnte sie nur Bosheit lesen. Es war, als hätte er sie niemals geliebt. Mit langen Schritten eilte sie durch die Burg, an flackernden Fackeln und Wandteppichen vorbei, die sich unter dem Luftzug wellten. Das Herz donnerte in ihrer Brust, und das Blut rauschte laut durch ihre Ohren.
Erst im Durchgang zum Kräutergarten machte sie halt und presste sich die Hand auf den Bauch. Das Kleid erschien ihr auf einmal furchtbar eng, und am liebsten hätte sie es sich vom Leib gerissen.
Wieder stellte sie sich die hilflose Frage, warum ihr Vater ihr das antat. Warum gerade dieser Mann? Gab es keine anderen? Was versprach er sich davon?
Eine Antwort erhielt sie nicht.
Wenn doch nur Martin bei mir wäre, dachte sie, als sie der Pforte zum Weinberg zustrebte.
Nachdem Martin sicher war, dass die anderen Knechte seine Abwesenheit nicht bemerkten, schlich er sich aus der Scheune.
Während der ganzen Zeit, in der er mit den anderen die Trauben gestampft hatte, hatte ihn der Graf nicht aus den Augen gelassen. Hatte er den Ableger bemerkt und Verdacht geschöpft? Hatte er sie zusammengerufen, um zu sehen, ob sich angesichts der Trauben jemand verdächtig benahm?
Die ganze Zeit über hatte Martin versucht, so ruhig wie möglich zu bleiben. Da er dem Grafen nicht vorgeführt wurde, konnte er wohl davon ausgehen, dass man ihn nicht verdächtigte. Dennoch wollte er nachsehen, was mit dem Ableger geschehen war.
Als er aus dem Schlagschatten der Scheune trat, wanderte sein Blick hinauf zu den Zinnen der Burg und zu den hell erleuchteten Fenstern. Wahrscheinlich muss Bella wieder mit ihrem zukünftigen Gatten tafeln, dachte er bitter. Ach, wenn es doch nur eine Möglichkeit gäbe, sie von ihm zu befreien.
Die einzige, die ihm einfallen wollte, ohne dass er den Fürsten töten musste, war, selbst um ihre Hand anzuhalten. Aber weder ihr noch sein Vater würden dem jemals zustimmen.
Warum gibt es bloß diesen unsäglichen Streit zwischen unseren Familien?, fragte er sich, als er den Blick wieder senkte. Wenn unsere Häuser zusammenhielten, wäre der Graf von Katzenburg nicht auf den Einfluss des Fürsten von Hohenstein angewiesen.
»Wo willst du denn jetzt noch hin?«, ertönte plötzlich eine Stimme.
Als er erschrocken herumwirbelte, erblickte er den Kellermeister, der wie aus dem Boden gewachsen hinter ihm aufgetaucht war.
»Ich wollte mir nur ein wenig die Beine vertreten«, entgegnete Martin, und erst im nächsten Augenblick fiel ihm ein, dass er diese Ausrede schon einmal gebraucht hatte – am ersten Abend, als er sich auf die Suche nach Rudolph von Katzenburgs Geheimnis gemacht hatte.
Bernhard Wackernagel blickte ihn prüfend an, dann sagte er: »Komm mit!«
Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass sich Martin dieser Anweisung besser nicht widersetzen sollte.
Der Junge folgte dem massigen Mann in den Kellerraum, und die Frage, was ihn dort erwartete, marterte ihn. Hatte der Graf doch etwas bemerkt?
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