Die Rebenprinzessin
blitzschnell hatte Hohenstein einen Dolch in der Hand, den er wohl unter seinen Kleidern getragen hatte.
Gerade noch rechtzeitig sah Martin die Klinge aufblitzen. Das Metall zerfetzte sein Wams und sein Hemd, aber da er augenblicklich zurücksprang, blieb seine Haut unversehrt.
Als der Fürst mitbekam, dass er den Jungen verfehlt hatte, wurde er noch angriffslustiger. »Na komm schon, Bursche!«, rief er ihm zu. »Machst du dir jetzt in die Hose, oder was?«
In diesem Augenblick bereute Martin, dass er sein Schwert nicht bei sich trug. Aber sich von diesem Kerl vorhalten lassen, dass er ein Feigling war, wollte er auch nicht. Mit einem wütenden Aufschrei begann er auf den Fürsten einzuschlagen, und immerhin führte er seinen Knüppel dabei wie ein Schwert. Roland von Hohenstein machte dies allerdings nicht viel aus, denn obwohl er hin und wieder einen Schlag einstecken musste, parierte er die Hiebe mühelos und stach immer wieder nach Martins Brust. Schließlich war der Junge gezwungen, ein Stück zurückzuweichen.
Roland von Hohenstein stieß ein spöttisches Lachen aus. »Na, wie schmeckt dir das? Ich werde dich lehren, dich in die Angelegenheiten anderer Leute einzumischen. Gesinde wie du sollte die Finger von Adligen lassen.«
Plötzlich schoss seine Hand zur Seite, und bevor Martin wusste, wie ihm geschah, sah er einen Hackenstiel in Roland von Hohensteins Hand. Hart traf ihn das Holz am Kiefer, so dass Martin das Gefühl hatte, sämtliche Zähne auf der Seite zu verlieren. Im nächsten Augenblick schmeckte er Blut.
»Das war mal ein Schlag, nicht wahr?«, rief ihm Hohenstein begeistert zu. »So musst du zuschlagen, wenn du jemanden in die Knie zwingen willst. Deine Hiebe sind die eines Mädchens!«
Bevor Martin sich wieder fangen konnte, traf ihn ein zweiter Schlag.
Der Junge ruderte mit den Armen, konnte aber nicht verhindern, dass seine Knie einknickten und er ins Stroh fiel.
Der Fürst stürzte sich sogleich auf ihn. »Verdammter Bauernlümmel, jetzt fährst du zur Hölle!«
Als Hohenstein seinen Waffenarm hochriss, schrie Bella auf. Martin schloss die Augen, aber während er darauf wartete, dass die Messerspitze in ihn eindrang, wurde es vor der Scheune laut. Innerhalb weniger Augenblicke war Heinrich Oldenlohe bei ihnen.
»Euer Gnaden, nicht!«, rief er dem Fürsten zu, dann umschlang er mit beiden Armen die Schultern des Edelmannes.
Die Dolchspitze, die jeden Augenblick in Martins Brust einzudringen drohte, zog sich zurück. Keuchend riss der Junge die Augen auf und ließ sich aufs Stroh sinken. Die Wunde an seiner Schulter brannte wie Feuer, seine Glieder zitterten kraftlos, und in seinem Inneren brannte der Zorn. Zorn darüber, dass er seinen Gegner nicht hatte bezwingen können. Er blickte zu Heinrich Oldenlohe auf, den er zum ersten Mal richtig wahrnahm, und meinte, einen seltsamen Ausdruck in seinem Blick zu erkennen. Doch bevor er ihn deuten konnte, waren sie von Wächtern umringt. Auch einige Knechte, Pflücker und der Kellermeister kamen herbeigeeilt.
Als Letzter erschien der Graf. »Was geht hier vor?«, verlangte er zu wissen.
»Der Fürst von Hohenstein hat versucht, Eurer Tochter Gewalt anzutun!«, entgegnete Martin.
Gemurmel brandete auf, und alle Anwesenden blickten zu Bella hinüber, die inzwischen ihr Kleid vor der Brust zusammengerafft hatte.
Rudolph von Katzenburg bedachte Martin mit einem zornigen Blick, dann sah er hinüber zu seiner Tochter, deren Wangen tränenverbrannt waren. »Ist das wahr?«
Bella nickte.
»Sie lügt!«, rief Roland von Hohenstein daraufhin, während er sich wütend aus dem Griff des Waffenmeisters losmachte. Sein Gesicht glühte dunkelrot. »Ich habe sie erwischt, wie sie es mit dem Burschen treiben wollte.«
Diese Worte ließen Bella hochfahren. »Ihr seid ein verdammter Lügner, Euer Gnaden!« Sie spie den Titel wie ein fauliges Stück Obst aus. »Ihr wart derjenige, der mich schon mal kosten wollte, oder habt Ihr das unter den Schlägen des Burschen vergessen?«
Auf einmal war alles still.
Bella hielt den Blick anklagend auf Fürst von Hohenstein gerichtet, während Graf von Katzenburg seine Tochter musterte. Martin sah zu dem Fürsten hinüber und wünschte sich, ein besserer Kämpfer zu sein. Gleichzeitig hoffte er, dass der Graf zur Vernunft kommen und Roland von Hohenstein vertreiben würde. Aber nichts dergleichen geschah. Alle starrten einander an, als seien ihnen sämtliche Gedanken entfallen.
»Ich werde noch heute abreisen!«,
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