Die Rebenprinzessin
brauste Roland von Hohenstein unvermittelt auf und stürmte aus dem Stall. Niemand hinderte ihn daran, was Bella zutiefst bedauerte. Nicht, dass sie ihn länger hierbehalten wollte, sie hätte es allerdings gern gesehen, wenn ihr Vater ihn bestraft hätte. Aber bei einem so hohen und einflussreichen Mann wie Roland von Hohenstein waren dem Grafen offenbar die Hände gebunden. Immerhin machte er keine Anstalten, den Fürsten zurückzuhalten.
Dafür richtete er seinen Zorn auf Martin. »Verschwinde augenblicklich von meiner Burg!«, fuhr er den Jungen an. »Wenn ich dein Gesicht noch einmal hier sehe, ziehe ich dir das Fell über die Ohren!«
Martin rappelte sich auf. Obwohl die Worte des Grafen bedeuteten, dass seine Mission misslungen war, konnte er seltsamerweise nicht daran denken, was sein Vater dazu sagen würde. Seine Gedanken galten allein Bella und dem, was sie nun erwartete.
»Er hat mir doch nur geholfen, Vater!«, rief Bella, am ganzen Leib zitternd. Nun entlud sich die Anspannung, die sich während des Angriffs aufgebaut hatte, mit aller Macht, und sogar ihre Zähne klapperten. »Du darfst ihn nicht fortschicken.«
»Ich darf nicht?«, fuhr der Graf herum. »Und ob ich das darf! Immerhin gehört mir diese Burg. Ich kann also frei entscheiden, wer hierbleibt und wer nicht!«
»Dann solltest du mich am besten wieder zurück ins Kloster schicken, denn ich werde diesen Fürst von Hohenstein gewiss nicht heiraten!«
Einen Moment lang blickten sich Vater und Tochter zornig an, dann wandte sich Katzenburg an Heinrich Oldenlohe.
»Begleitet meine Tochter zu ihrer Kemenate und bleibt vor der Tür. Ich will nicht, dass dieses Kind noch weiteres Unheil stiftet.«
Ein Schluchzen stieg in Bella auf. In den Augen ihres Vaters sah sie, dass er ihrem Wunsch entsprechen würde – zumindest so lange, bis er einen neuen Heiratskandidaten ausfindig gemacht hatte.
Als der Waffenmeister neben sie trat, blickte sie hinüber zu Martin. Zu gern wäre sie ihm um den Hals gefallen, allerdings wäre der Ärger für ihn dadurch umso größer geworden. Sie warf ihm also nur ein trauriges Lächeln zu, dann schloss sie sich ihrem Beschützer an.
Martin sah Bella wehmütig hinterher, und obwohl ihm die Blessuren, die ihm Roland von Hohenstein zugefügt hatte, höllisch weh taten, war der Schmerz in seiner Brust der allerschlimmste.
In der Nacht hockte Bella auf der Bettkante und blickte in die ersterbende Glut der Esse. Zu ihren Füßen stand ein Tablett mit Speisen, die sie nicht angerührt hatte, und auch der Becher mit dem gewürzten Wein war noch voll.
Oda hatte ihr all dies gebracht und dabei tunlichst ihren Blick gemieden. Wenig später war Katrina gekommen, um nach ihr zu sehen. Daraus hatte Bella entnommen, dass sich die Geschichte bereits herumgesprochen hatte. Aber konnte man ihr die Schuld daran geben? Sie hatte als Erste den Saal verlassen! Sie konnte doch nichts dafür, dass Roland von Hohenstein ihr nachgeschlichen war!
Das Zittern war mittlerweile aus ihrem Körper gewichen, doch noch immer meinte sie die Hände des Fürsten an ihrem Körper zu spüren und seine Lippen an ihrem Hals. Der Ekel krallte sich in ihre Seele wie eine Klette, die sie nur schwerlich loswerden konnte. Obwohl es dank Martin nicht zum Äußersten gekommen war, fühlte sie sich beschmutzt, und es gab kein Wasser, mit dem sie diese Empfindung hätte abwaschen können.
Wenn doch nur Martin hier wäre, dachte sie immer wieder, während sie ihre Schultern fest umklammerte. Er ist der Einzige, der sich um mich gekümmert hat. Meinem Vater und den anderen auf der Burg bin ich egal. Immerhin hatte die Sache auch etwas Gutes, denn Roland von Hohenstein und Hans von Uhlenfels waren wenig später tatsächlich abgereist.
Bella versuchte sich auszumalen, wie ihr Vater mit Engelszungen auf den Fürsten eingeredet hatte, um ihn zum Bleiben zu bringen. Ganz bestimmt hatte er ihn nicht wegen des Vorfalls zur Rede gestellt, und ganz sicher glaubte er auch nicht ihre Version der Geschichte und somit die Wahrheit. Aber Roland von Hohenstein hatte, obwohl er der Sieger der Auseinandersetzung war, keine Lust mehr verspürt zu bleiben. Das war für Bella alles, was zählte.
Allerdings hatte sie die Erfüllung dieses Wunsches teuer bezahlt. Sie wollte gar nicht wissen, was die Männer ihres Vaters mit Martin angestellt hatten. Bei dem Hass, den der Graf unverständlicherweise auf den Burschen verspürte, hatte er ihnen sicher die Anweisung gegeben, ihn
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