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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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Westtor in die Unterstadt und folgte dem Verlauf der Rue du Paparel bis hinauf zum Kerker. Mâitre Beaulouis und seine Söhne erwarteten sie bereits im unteren Hof. Ihre Gefangenen standen in einer Reihe entlang der Befestigungsmauer und boten einen jämmerlichen Anblick. Nach mehreren Wochen im Halbdunkel war ihre Haut so weiß wie Kreide, und ihre Augen vertrugen nur schlecht das gleißende Licht der Sonne. Etwas abseits lag Justinien, von Fieber geschüttelt, ausgestreckt auf den Pflastersteinen.
    Die Tore öffneten sich, Hauptmann Cabrel trat ein. Der Befehlshaber der Kette und der Kerkermeister begrüßten sich kühl. Sie haßten sich, seit Maître Beaulouis eines von Cabrels Vorrechten attackiert hatte und ihm Sträflinge aushändigte, die er bereits gebrandmarkt hatte. Der entgangene Gewinn und vor allem das schlechte Beispiel, das Beaulouis damit anderen Kerkermeistern gab, hatten Hauptmann Cabrel veranlaßt, ihn vor das lehnsherrliche Gericht zu zitieren. Aber Richter Cressayet hatte seine Klage nachdrücklich zugunsten des Schließers abgewiesen.
    Er inspizierte sorgfältig jeden Gefangenen, bevor er die Empfangsbestätigung unterzeichnete. Er bekam vom Schatzmeister der Galeerenflotte der Levante für jeden Sträfling, den er lebend in Marseille ablieferte, einen Pauschalpreis von fünfundzwanzig Livres. Mit dieser Summe waren alle Ausgaben, die während der Reise entstanden, abgegolten: die Verpflegung für die Sträflinge, der Sold für die Eskorte und die Bediensteten, das Futter für die Tiere und die unzähligen Zölle, die an Brücken, Fähren, an jeder Lehensgrenze, an den Toren der Marktflecken und Dörfer zu entrichten waren: darüber hinaus gingen alle zusätzlichen Kosten und unvorhergesehenen Ausgaben zu seinen Lasten. Das, was übrigblieb, war sein Gewinn. Man kann sich also denken, daß Hauptmann Cabrel darauf bedacht war, seine Ausgaben auf das Allernotwendigste zu beschränken. Für einen ordentlichen Gewinn scheute er sich nicht, die Etappen auszudehnen, die Rationen zu kürzen und nur eine kleine Eskorte in Dienst zu nehmen. Die fehlenden Wachen machte er dadurch wett, daß er unter seinen Gefangenen Entsetzen verbreitete.
    Wenn die Kette sich verspätete oder es auf dem Weg einigen Gefangen gelang, zu entkommen, sah die Charta, die ihn an die Administration des Königs band, Geldbußen vor. Nur eine Reise ohne irgendwelche Scherereien brachte ihm einen ordentlichen Gewinn. Es war daher ausgeschlossen, daß Cabrel einen Galeerensträfling mitnahm, der womöglich seine Gewinnspanne hätte beeinträchtigen können, indem er das Fortkommen der Kette behinderte oder, schlimmer noch, vor Entkräftung nach ein paar Tagen verstarb und somit Kosten verursachte, die Cabrel nicht wieder erstattet würden.
    Justinien schrie auf, als dieser sein gebrochenes Bein rücksichtslos untersuchte. Sein Gebrüll verscheuchte alle Vögel auf den Dächern.
    »Wie ist das passiert?« erkundigte er sich mißtrauisch.
    »Er ist ausgerutscht«, entgegnete Beaulouis kurz angebunden.
    Sie beäugten sich einen Augenblick lang mißtrauisch, dann strich der Befehlshaber der Kette Justinien von seiner Liste.
    »Ich nehme ihn das nächste Mal mit. Wirklich schade, denn er ist jung und gutgewachsen.«
     
    Bevor er zum nächsten ging, überzeugte er sich noch davon, daß sich hinter der hölzernen Nase kein Aussatz verbarg.
     
    Alle anderen wurden mitgenommen, Bredin, Jacquot und
    Lucien holten sich die Ketten wieder, bevor sie die Gefangenen Cabrels Männern überstellten. Diese Gelegenheit nutzte Baldo und verpaßte Justinien einen kräftigen Tritt gegen sein Bein, der daraufhin vor Schmerz in Ohnmacht fiel.
    Sobald sich die Kette auf den Weg gemacht hatte und die Tore wieder geschlossen waren, brachte Beaulouis den jungen Mann in eine der Zellen im Turm und schickte nach Le Clapec, einem Nägelhersteller, der, wie die meisten, die mit Feuer umgingen, sich ein wenig auf die Kunst des Heilens verstand. Der Mann renkte den Bruch geschickt wieder ein und senkte das Fieber, indem er ihm einen Tee aus bitteren Blättern zu trinken gab, den er mit etwas Honig süßte.
    Justinien war jung, sein Schienbein wuchs rasch wieder zusammen.
    jetzt, wo er im Trockenen untergebracht war und gut zu essen bekam, war er nicht mehr angekettet, und er beglich sein Kostgeld, indem er Briefe, Kostenaufstellungen, Gesuche, Bittschriften, Eingaben und Liebesbriefchen schrieb. Wenn er nicht schrieb, liebte er es, sich mit den Ellenbogen auf eine

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