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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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Schreibarbeit, die Justinien für seinen Kerkermeister erledigte, war die Kostenaufstellung für das Brandmarken am Vortag:
     
    Zur wohlwollenden Kenntnisnahme durch den edlen Prévôt:
    Für das Brandmarken der rechten Schulter
    des Justinien Pibrac       5 Livres
    Für das Brandmarken der rechten Schulter
    des Vitou Calamar       5 Livres
    Für das Brandmarken der rechten Schulter
    des Baldomer Cabanon       5 Livres
    Für ein Reisigbündel       1/2 Livre
    Für einen Sack Kohlen        1 Livre
     
    SUMME              16,5 Livres
     
    Beaulouis las sich die Rechnung noch einmal laut vor (er mußte sich beim Lesen hören, sonst verstand er das Geschriebene nicht) und nickte zufrieden. Der fehlerfreie Text, seine volkommene Leserlichkeit, aber vor allem die Schnelligkeit, mit der der Auftrag ausgeführt worden war, beeindruckten ihn zutiefst.
    » Hat der edle Baron schon auf mein Bittgesuch geantwortet?« wollte sein Gefangener wissen, als er ihn die Leiter herunterkommen sah.
    Er antwortete ihm nicht, aber kaum eine Viertelstunde später erschienen Bredin und Jacquot, die Arme voll beladen wie die Heiligen Drei Könige. Der erste trug eine Schüssel voll dampfender Suppe, einen Laib frisches Brot und einen Krug mit klarem Wasser, der zweite brachte ein Bündel Stroh, aufgespießt auf eine Heugabel, mit der er das faulige Stroh entfernte.
    Die Suppe war in keinster Weise mit der durchsichtigen Brühe vom Vortag zu vergleichen. Sie war dick, fett und enthielt viele fingerdicke Streifen Speck. Ihr Geruch ließ die anderen Gefangenen unruhig hin und her rutschen, ihre Ketten klirrten, und ihre hungrigen Mägen knurrten.
    Bredin wartete, bis Justinien aufgegessen hatte, um ihn dann über seine Art zu schreiben, auszufragen. Wo und wie hatte er es gelernt? Gab es eine bestimmte Methode, die ihm helfen könnte?
    Justinien dachte kurz an Martin, seinen Adoptivvater.
    »Ich habe das Schreiben in der Schule des Klosters von Saint-Vincent in Clermont gelemt«, log er (er hatte in seinem ganzen Leben weder einen Fuß nach Clermont und erst recht nicht in diese Schule gesetzt). » Es ist viel einfacher, als es aussieht. Man muß nur regelmäßig üben und seine Feder immer gut spitzen ... «
    Nachdem die Wärter wieder gegangen waren, wollte er sich daranmachen, Bissen für Bissen den Laib Brot zu genießen, als seine Leidensgenossen ihn anflehten, doch mit ihnen zu teilen.
    Obwohl ein Teil seines Verstandes und sein gesamter Magen strikt dagegen waren, brachte er es doch nicht übers Herz, ihnen ihre Bitte abzuschlagen. Er brach das Brot in zwei Hälften und reichte die kleinere Eustache, seinem unmittelbaren Nachbarn, der sie sofort in vier Stücke teilte.
    Als der Kerkermeister wieder in das Verlies hinabstieg, hatte er die Absicht, seinem Gefangenen ein Gesuch zu diktieren, mit dem die Befreiung seiner drei Söhne vom Wachdienst erneuert werden sollte. Doch Justinien stieß das kleine Schreibpult beiseite.
     
    »Ich habe Euch heute morgen Eure Kostenaufstellung abgefaßt, und dafür habe ich Suppe, Brot, Wasser und etwas frisches Brot bekommen. Doch leider, Maître Beaulouis, kenne ich die Preise der öffentlichen Schreiber. Ihr zahlt recht dürftig. Für die Arbeit von heute morgen möchte ich außerdem noch meinen Platz wechseln dürfen. Seht Euch das Stroh an, es ist schon wieder völlig durchweicht. Ich will an der Mauer gegenüber angekettet werden, da, wo es trocken ist. Außerdem will ich das Eisenband nicht mehr um meinen Hals haben. Es ist unnötig, und die Kette ist so kurz, daß ich mich zum Schlafen nicht hinlegen kann.«
    » Solange du nicht Geld willst«, meinte der Schließer beruhigt.
    »Wartet, das ist noch nicht alles. Ich möchte noch eine Suppe und einen Laib Brot, da ich noch immer hungrig bin ... und auch einen Verband für meine verbrannte Schulter.«
    Sein Hemd war auf dem Brandmal festgeklebt, und die Wunde hatte sich entzündet.
    Am Ende des Tages konnte Justinien, der es sich zunutze machte, daß er nicht mehr am Hals angekettet war, eine Ratte überraschen, die hochnäsig innerhalb der Vier-Fuß-Zone herumspaziert war, und ihr mit einem kräftigen Hieb mit dem Holznapf den Schädel zertrümmern. Seine Gefährten klatschten ihm Beifall. Er warf das tote Tier hinüber, und sie rissen es in Stücke, bevor sie es gerecht untereinander aufteilten.
     
    Zwölf Tage und zwölf Nächte waren vergangen, als sich am Morgen des dreizehnten Tages die Falltür zum

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