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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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Cabrels entgehen könnte.
    Justinien beendete gerade ein Briefchen an eine junge Mutter aus Sentenac, deren Kindbett glücklich verlaufen war, als die Wärter kamen und die abendliche Suppe brachten.
    Während diejenigen, die sich mit dem Sol des Königs begnügen mußten, ihre abscheuliche Brühe mit angewiderter Miene schlürften, konnte Justinien sich nicht zwischen einem Fisch aus dem Dourdou mit Käse und Hammelkotelett mit Morcheln entscheiden. Er wählte den Fisch.
    »Mein Lob an Madame Beaulouis, sie hat sich selbst übertroffen «, sagte er mit vollem Mund zu Bredin, der ihm Wein einschenkte.
    » Das kann man von der Suppe nicht behaupten «, lästerte ein Salzfälscher, der erst vor kurzem zu einer lebenslangen Galeerenstrafe verurteilt worden war.
    Alle brachen in schallendes Gelächter aus, mit Ausnahme von Baldo und Vitou, die neiderfüllt auf den Teller ihres schlimmsten Alptraums schielten.
    »ja, ja, macht euch nur lustig, Lumpenpack! Euch wird das Lachen schon morgen vergehen, wenn ihr erst mal die Suppe bei Hauptmann Cabrel gekostet habt! «
    Die Neuigkeit fuhr ihnen in die Glieder. Alle starrten Bredin an, als ob er eine Feuersbrunst oder eine Überschwemmung angekündigt habe.
    » Die Kette kommt? « gelang es Justinien herauszubringen, dessen Kehle wie zugeschnürt war.
    »Sie ist in Gabriac und wird morgen früh hier sein.«
    Baldo wurde auf seinem Bündel Stroh richtig munter.
    »Dann ist es mit den Privilegien vorbei, Holznase!« sagte er mit veränderter Stimme. Seit Bredin ihm die Vorderzähne herausgeschlagen hatte, zischelte er. »Die Stunde der Abrechnung rückt näher. Morgen hast du keine Schließer mehr, die dich beschützen.«
    »Soll ich ihn verprügeln?« erkundigte sich der Wärter.
    »Nein, laß sein«, erwiderte Justinien.
    Er fürchtete sich sehr vor diesem langen Marsch nach Marseille. Vielleicht würde er eine Gelegenheit finden, sich unterwegs heimlich davonzumachen? Als er weiteressen wollte, stellte er fest, daß er keinen Hunger mehr hatte. Der Appetit war ihm restlos vergangen.
    Justinien schlief sehr unruhig, als er plötzlich von einem heftigen Schmerz in seinem linken Bein aus dem Schlaf gerissen wurde und hochfuhr. Er schrie. Man hatte ihm das Schienbein gebrochen. Im Kerker war es völlig dunkel, er konnte nichts erkennen und nahm an, daß es Baldo und Vitou gelungen war, sich ihrer Ketten zu entledigen, als das Geräusch der sich über ihm schließenden Falltür ihm verriet, wer über ihn hergefallen war.
    Der erste, der die Kette entdeckte, war der Späher vom Ostturm. Er entfernte sich von seinem Posten und rief der Wache im Hof zu:
    »Die Kette kommt an die Kreuzung der Quatre-Chemins. Geht und benachrichtigt den Schließer!«
    Mit Ausnahme vielleicht der Osterprozession gab es kein anderes Spektakel, das so faszinierend war. Wenn die Kette vorbeizog, kam jede Tätigkeit zum Erliegen, die Karren fuhren zur Seite, die Fußgänger blieben stehen, die Kaufleute erschienen auf der Schwelle ihrer Geschäfte, die Klatschbasen an ihren Fenstern; selbst die Kinder erstarrten zu Salzsäulen: alle hatten sie nur Augen für die finstere Ansammlung von erschöpften Männern, von denen immer zwei links und zwei rechts von einer langen Kette marschierten, an die sie mit dem Hals angekettet waren, so daß sie wie die Gräten eines Fisches aus der Fabelwelt aussahen.
     
    Kahlgeschoren und mit einer roten Weste bekleidet, gingen sie mitten auf dem Weg. Wachen, die mit Stoßwaffen, Partisanen genannt, ausgerüstet waren, behielten jeden im Auge. An ihrer Spitze ritt der Befehlshaber der Kette, Hauptmann Auguste de Cabrel, aufrecht wie eine Lanze, eingehüllt in eine rote Staubwolke. Dieser argwöhnische Gascogner war früher Offizier auf der Galeere Mazarine gewesen und hatte inzwischen die Branche gewechselt. Das Ende des Zugs bildeten fünf Karren, die von kräftigen Ochsen aus dem Aubrac gezogen wurden und unter deren Planen die für den guten Verlauf dieses Unterfangens unerläßlichen Dinge transportiert wurden.
    Ein solches Unternehmen verlangte eine straffe Organisation. Um von der Marinepräfektur die Genehmigung zu bekommen, hatte der Hauptmann tausendeinhundert Livres für Ketten, Eisenspangen, Schäkel, Zugtiere und Gerätschaften zum Brandmarken ausgegeben. Darüber hinaus mußte er noch zwölf Männer zur Bewachung der Sträflinge, einen Schmied, einen Ochsenhirt, einen Koch und einen Küchenjungen anstellen.
    Die Kette überquerte die Pont-Vieux, gelangte durch das

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