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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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seiner Höhe zu bleiben. Alle Anwesenden im großen Saal erhoben sich, setzten sich aber nicht wieder, nachdem Vater und Sohn gegangen waren.
    Justinien rieb sich die Handgelenke, die durch die Eisenketten aufgescheuert worden waren, als der Beisitzer ihn nach seinem Namen fragte, um ihn an der dafür vorgesehenen Stelle in seinen Dokumenten eintragen zu können.
    »Justinien Pibrac«, sagte er und fragte sich, was wohl der echte Pibrac von dieser Namensaneignung gehalten hätte.
    Der Beisitzer gab die drei Schreiben an den Richter weiter, der sie sich noch einmal aufmerksam durchlas, bevor er zwei davon Justinien überreichte.
    »Und meine Begnadigung?« wunderte sich der letzte.
    »Alles zu seiner Zeit. Die bekommst du nach der Hinrichtung ausgehändigt.«
    Plötzlich wußte Cressayet, was ihm beim Anblick dieses Spitzbuben Kopfzerbrechen bereitete. Er bedeutete dem Kerkermeister näher zu treten.
    »Sagt mir, Maître Beaulouis, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, und es ist normalerweise ganz ausgezeichnet, dann habe ich diesen Halunken hier doch vor gut drei Monaten verurteilt. Könnt ihr mir erklären, warum er nicht mit der letzten Kette gegangen ist?«
    » Seine Komplizen brachen ihm ein Bein, Euer Ehren, und Hauptmann Cabrel wollte ihn deshalb nicht.«
    »Hm, hm, hmmhmm«, brummelte der Richter und zupfte an seinem Beffchen herum, das mittlerweile mit Fingerabdrücken übersät war. Er ahnte, daß der Schließer in dieser Angelegenheit nicht unparteiisch war, aber er hatte nicht die geringste Ahnung, wieso und warum.
    Der Prévôt Henri de Foulques erinnerte Justinien daran, daß die Hinrichtung unwiderruflich zur None beginnen müsse, morgen, Place du Trou.
    »Die Zeit ist festgesetzt, also nütze sie, denn ein weiterer Aufschub wird dir nicht gewährt. Deine Begnadigung hängt davon ab, ob du deinen Teil des Handels erfüllst.«
    Und schon kehrte er wieder an seinen Platz zurück und setzte die Bekanntmachung für den Ausrufer auf. Beaulouis und sein ehemaliger Gefangener gingen schweigend davon, überquerten den Ehrenhof und betraten den unteren Hof, während jeder seinen Gedanken nachhing.
    Der Kerkermeister frohlockte, Justinien grübelte. Der Prévôt hatte ihn nicht gerade ermutigt, sondern eher seine aufkeimende Euphorie erstickt. Bis jetzt war noch nichts gewonnen. Erst mußte er noch etwas tun, aber was für ein » Etwas «!
    »Was soll ich jetzt machen?« fragte er Beaulouis kläglich, der gerade nach seinen Söhnen gerufen und ihnen aufgetragen hatte, ein Bad herzurichten.
    » Du wirst den Anweisungen des Barons Folge leisten. Erst einmal schrubbst du dir deinen dreckigen Pelz, aber während du darauf wartest, daß das Wasser heiß gemacht wird, komm mit und such dir ein paar Kleider aus.«
    Justinien folgte ihm in das Lager, in dem Beaulouis die Kleidungsstücke und Sachen zum Verkauf anbot, die die Gefangenen bei ihm in Zahlung gegeben hatten, und blieb staunend vor der Auswahl stehen. Dutzende von Wämsern, Jacken, Mänteln und Umhängen hingen von der Decke herab, aufgereiht auf langen Holzstangen. Eine ganze Wandfläche war nur Hüten vorbehalten, und genau gegenüber befanden sich Regale mit Brettern voller Perücken unterschiedlichster Machart und Güte, voller Schuhe in allen Größen, Stiefeln und sogar einigen Holzschuhen. Die Truhen, die an allen Wänden standen, quollen über vor Hemden, Oberschenkelhosen, Strümpfen, Stulpen, Bändern, Taschentüchern, Handschuhen, und in den Schubladen, die man auf die Tische gestellt hatte, sah er jede
    Menge Tabaksdosen, darunter ganz kunstvoll gefertigte, Tabakspfeifen, Tabaksreiben, Feuersteine, aber auch ein ganzes Sortiment Messer, deren Klingen zusammengeklappt werden konnten. Unter diesen erkannte Justinien gerührt auch Pibracs Messer wieder, das Martin ihm geschenkt hatte und das ihm zusammen mit seinen anderen Sachen gestohlen worden war.
    »Das ist meins. Seht her, mein Name steht darauf.«
    Tatsächlich, Beaulouis las auf dem Horngriff Jules Pibrac.
    »Aber du heißt doch gar nicht Jules mit Vornamen.«
    »Es ist der Vorname meines Vaters«, log er und sah im Geiste wieder vor sich, wie Papa Martin es ihm vor vier Jahren geschenkt hatte, am Tag, bevor er sich auf den Weg zum Priesterseminar des Ordens der Wächter der immerwährenden Anbetung des Heiligen Präputiums gemacht hatte.
     
    3
     
    Von frühester Kindheit an hatten Martin Coutoulys Abenteuer und die seines unzertrennlichen Gefährten Jules Pibrac, mit dem er ein

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