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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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bunten Decke. Ihr Kopf lag auf den Schenkeln ihrer Mutter, die sie im Schein der Feuerstelle entlauste.
    » Da ist ja dein Jüngelchen mit dem hölzernen Zinken, der seine Schulden bezahlen kommt«, meinte Vitou gehässig und deutete mit dem Pfeifenstiel in Justiniens Richtung, während dieser die Böschung hinabstieg.
    » Habe ich es dir nicht gesagt?« flüsterte Mouchette ihrer Mutter zu, die ihr Vorhaltungen gemacht hatte, weil sie ihm Kredit gewährt hatte.
    Sie stand auf, packte die Decke und ging zu der Baumgruppe hinüber. Justinien kam ihr dorthin nach. Die Augen der Provenzalin leuchteten genauso wie die einer Elster, als sie den silbernen Taler mit dem Bildnis Ludwig XIV erblickte. Sie schnürte ihre Korsage auf, ihr Brüste quollen hervor, was dem jungen, der seine Hände ausstreckte, ernstlich den Atem verschlug. Sie erinnerten ihn an die Brüste der Heiligen Agathe, Jungfrau und Märtyrerin, später heilige Schutzpatronin der Ammen, deren Bildnis er schon oft auf Holzschnitten bewundert hatte, die ihre Marter darstellten (man hatte ihr die Brüste dicht über dem Brustbein abgeschnitten).
    An diesem Abend übertraf sich Mouchette selbst. Sie tat die verrücktesten Dinge, die ihn zugleich entzückten und erschreckten.
    »Das ist zu gut«, sagte er sich jedes Mal, wenn die Lust ihm Schauer über den Rücken bis hinunter zu den Zehen jagte. »Das kann nur eine Todsünde sein.«
    Sie taten es wieder und wieder, und so fort bis zum ersten Hahnenschrei. Als er aufbrach, erinnerte Justinien sie mit verlegener Miene daran, daß er von ihr noch Geld von seinem Taler zurückbekam.
    » Ich habe nichts bei mir ... und ich bringe es nicht übers Herz, meine Mutter zu wecken, die so gut schläft. jetzt kannst du mir dein Vertrauen schenken. Komm heute abend wieder«, sagte sie zu ihm, drückte sich dabei an ihn und spielte mit ihrer Zunge in seinem Ohr.
     
    Der Tag brach an, als Justinien nach Hause ging. Er hatte
    dunkle Ringe unter den Augen, und sein Haar war zerzaust, aber er war glücklich, daß er sich nicht gewundert hätte, wenn Vögel sich zwitschernd auf seinem Kopf niedergelassen hätten. Er ging zu Bett, war aber viel zu müde, um sich noch auszuziehen, und schlief ein, als im Zimmer nebenan die K leinen im Chor zu brüllen anfingen, weil sie ihr Fläschchen wollten. Éponine erschien und rüttelte ihn, wie jeden Morgen, wach, damit er Holz holte und Feuer machte.
    »Jetzt schläfst du schon in deinen Kleidern?« wunderte-sie sich.
    Später, als sie die Ringe unter seinen Augen, sein Gähnen, aber auch seine zerstochenen Hände, Wangen und Nacken bemerkt hatte, wurde sie mißtrauisch. »Wo bist du denn so zerstochen worden? Wir haben doch überhaupt keine Mükken hier, wir sind viel zu weit vom Fluß entfernt.«
    Nie war ihm ein Tag so lang vorgekommen; und zwar derart lang, daß er mehrmals den Eindruck hatte, die Sonne habe ihren Lauf unterbrochen. Wenn er nicht an Mouchette dachte, glaubte er, ihr Profil in einer Wolke zu sehen, er roch ihren Duft überall und brannte vor Sehnsucht wie ein brünftiger Hirsch.
    Am Abend war er viel zu ungeduldig, um so lange warten zu können, bis seine Eltern eingeschlafen waren. Er schlang hastig sein Essen hinunter und lief mit einem: » Ich hab noch etwas Wichtiges zu erledigen« hinaus. Und schon war er draußen und vor ihren Fragen sicher.
    Die Gaukler saßen fröhlich bei einem guten Essen zusammen, als er zu ihrem Lagerplatz kam. Sein Anblick ließ sie noch vergnügter lachen.
    Er dachte besorgt an sein Geld, als Mouchette, deren Lippen von dem Fett eines Huhnes glänzten, ihn abküßte.
     
    Er setzte sich zu ihnen und nahm die Flasche Wein, die Baldo ihm reichte. Kurze Zeit später lachte er schallend über die gemeinen Scherze, die sie über seine Nase machten. Da er wußte, daß sie alle aus Marseille stammten, stellte er ihnen Fragen über die Schiffe, das Meer, die Möglichkeiten, eine Heuer zu finden.
    Schließlich kam der Augenblick, auf den er gewartet hatte: Mouchette nahm ihre bunte Decke und ging zu der Baumgruppe hinüber. Er stand auf, um ihr zu folgen, aber in seinem Kopf drehte es sich, und er mußte sich gegen den Karren lehnen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    »Du wolltest doch vorhin wissen, wie es ist, wenn man in einer stürmischen Nacht auf einem Schiff ist, nun, genauso ist es«, erklärte ihm Baldo in spöttischem Ton.
    Als Justinien zu der jungen Tänzerin kam, war sie schon nackt und sang mit zarter Stimme A la claire

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