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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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fliehen könnte. Von Zeit zu Zeit unterbrach er seine Tätigkeit, um zu lauschen oder um noch einen Apfel zu essen. Er hatte Durst, und es gab rein gar nichts zu trinken hier
    Er überlegte gerade, ob er sich lieber eine griechische Nase oder eine Stupsnase machen sollte, als es zum Vespergottesdienst läutete.

Als die Nase fertig war, band er sie sich mit einem Stück Schnur um, mit dem einer der Säcke mit Nüssen verschlossen worden war. Er bedauerte es, keinen Spiegel zu haben, dann hätte er noch einige Änderungen vornehmen können.
    Es wurde Abend, und man läutete zur Komplet. Er wartete noch und kämpfte gegen seine Müdigkeit an, indem er sich die Ankunft des Odysseus in Ithaka erzählte, wie er die übrigen Bewerber ausstach, und schließlich seine Lieblingspassage: das Wiedersehen mit der schönen Penelope.
    Als es finstere Nacht war, kletterte er zum Hängeboden hinauf, entfernte einige Dachziegel, dann band er einen der Stricke, die er unten gefunden hatte, an den Dachbalken. So leise wie möglich kletterte er nach draußen und glitt am Schuppen entlang hinab; dabei behinderte ihn die Hacke ein wenig, deren Eisen er vorher abgemacht hatte. Seine Beine hatten gerade den Boden berührt, als plötzlich zwei Dekurionen aus dem Wandelgang hervorkamen und schrien:
    » Da ist er! «
    Sie stürzten sich auf ihn. Justinien schlug mit dem Stiel der Hacke auf den Nächstbesten ein, der den Schlag mit seinem Unterarm abwehrte und vor Schmerz aufschrie. Der andere umfaßte ihn und brachte Justinien aus dem Gleichgewicht. Sie stürzten. Justinien verlor den Stiel. Seine Finger tasteten nach den Augen seines Angreifers und fanden sie. Der Dekurio stieß einen spitzen Schrei aus und lockerte seinen Griff. Justinien befreite sich aus seiner Umklammerung und rannte, ohne weiter zu überlegen, einfach geradeaus.
    Er hörte, wie hinter ihm »Alarm! Alarm! « gerufen wurde.
    Türen schlugen, Kerzenleuchter wurden angezündet, von Treppenabsatz zu Treppenabsatz wurde die Nachricht weitergegeben, bis schließlich das ganze Seminar auf den Beinen war. Alles eilte zum Schuppen.
    »Von dort ist er gekommen, und er hat mich geschlagen «, berichtete der Dekurio und zeigte ihnen seinen Unterarm, der geschwollen war.
    Völlig aufgelöst lief Justinien an der Mauer entlang auf der Suche nach einem Ausgang, konnte aber keinen entdecken. Die Nasenlöcher seiner neuen Nase waren nicht weit genug ausgehöhlt, so daß er durch seinen ganz trockenen Mund atmen mußte. Als er an einem Eckturm vorbeikam, sah er eine kleine Tür. Er wollte sie aufstoßen, aber sie gab nicht nach. Die heftigen, erregten Stimmen und die lärmende Schar hinter ihm versetzen ihn in Panik. » Es ist aus «, sagte er sich, während er vergeblich weiter versuchte, die Tür aufzudrücken. Plötzlich zog er an ihr, anstatt zu drücken, und sie ging auf. Er stürzte hinein und stürmte eine Wendeltreppe hinauf, die ihn auf einen nicht mehr benutzten Wehrgang führte. In der Ferne zu seiner Linken konnte er die dunklen Umrisse der Eichen erkennen, die die Pforte umrahmten. Vorsichtig ging er auf den Gang hinaus, der mit Vogeldreck übersät war. Unten lief man geschäftig im Licht der Fackeln umher. Es herrschte ein heilloses Durcheinander. Als er auf gleicher Höhe mit der ersten Eiche war, beugte sich Justinien zwischen den Zinnen vornüber und schreckte zurück. Falls einer der Zweige nur einen halben Klafter breit war, würde er womöglich nicht kräftig genug sein und unter seinem Gewicht abbrechen. Er sperrte die Augen auf, um die Dunkelheit besser durchdringen zu können, und schätzte, daß ihn wohl gut zwei Klafter von dem ersten Ast trennten, der sein Gewicht tragen könnte. Er ging, um sich die zweite Eiche genauer zu besehen, als seine Verfolger ihrerseits nun den Wehrgang erklommen.
    » Da ist er! «
    Ohne weiter nachzudenken, setzte Justinien sich auf eine Zinne und sprang. Mit weit ausgebreiteten Armen griff er nach dem dicken Ast, den er nur knapp verfehlte. Er umklammerte den darunterliegenden, der brach ab, er streifte einen weiteren Zweig, der ebenfalls abbrach, allerdings auch seinen Fall bremste. Schließlich fiel er auf den untersten Zweig, und es gelang ihm, sich an ihm festzuklammern. Über sich hörte er Stimmen, die völlig außer Atem klangen.
    »Wo ist er?«
    »Ist er wirklich gesprungen?«
    » Er ist da, ich sehe ihn! «
     
    Er konnte sich weder hochziehen noch länger festhalten und Justinien fühlte, wie seine Finger langsam

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