Die rechte Hand Gottes
schnell aus, wenn sie vorbeikamen.
Justinien entschied sich für die Schmiede von Maître Lengre, dem Vorsitzenden der Gilde der Schmiede und Scherenschleifer. Hier spielte sich die gleiche Szene wie vorhin ab, doch wie auch Maître Calzins blieb dem Schmied nichts anderes übrig, als sich den Weisungen des Gerichtsdieners zu fügen. Er versprach, die Stange zu schmieden und »zwei Klafter über dem Schafott« das Wagenrad auf seinem Mast anzubringen.
»An wen soll ich meine Kostenaufstellung schicken?«
»An den edlen Prévôt. Und vergeßt die Leiter nicht«, erinnerte ihn Justinien noch, bevor er ging.
Nach einer Weigerung allererster Güte gab ihm Maître Méjean, der Vorsitzende der Gilde der Seilwarenhändler in der Rue du Chanvre, einen Satz von sechs zwei Fuß langen Seilen, die so dünn wie der kleine Finger, aber sehr stabil waren.
Die Glocken von Bellerocaille schlugen zwölf Uhr mittags, als Justinien in den Kerkerturm zurückkehrte.
Während er von seinen Zwistigkeiten mit den Handwerkern berichtete, servierte Beaulouis ihm ein Essen zu fünf Sols (eine Suppe mit Hasenfleisch, einen großen Krug Marcillac). Doch es schmeckte ihm nicht: die bis dahin ganz abstrakte Vorstellung, jemanden ins jenseits zu befördern, nahm nun Gestalt an und schnürte ihm die Kehle zu.
»Was geschieht, wenn ich ihn nicht rädern kann?«
»Du wirst nicht begnadigt, du wirst mit der Kette im September gehen, und ich verliere meinen Schreiber. Sobald Lenègre die Stange geliefert hat, werde ich dir zeigen, wie man es macht.«
» Ich habe vor allem Angst, daß ich nicht den Mut haben werde. Ich kann mir noch so oft sagen, daß sein Verbrechen schrecklich war und er die Hinrichtung verdient hat, aber es will mir einfach nicht gelingen, wirklich wütend auf ihn zu sein. Er hat mir nichts getan, dieser Koch, also ihn einfach so zu schlagen, ganz kaltblütig...«
»Du mußt einfach an jemanden denken, der dir verhaßt ist. Denke zum Beispiel an den, der dir die Nase abgeschnitten hat«, schlug Beaulouis vor. »In diesem Fall, wenn es soweit ist, wird Gott dich lenken.«
»Gott wird mich vielleicht lenken, aber ich muß dann zuschlagen, und nicht Er.«
Bredin betrat die Zelle.
» Seine Exzellenz Abt François verlangt nach Euch, Vater. Er hat Gäste mitgebracht. Sie wollen zu Galine.«
»Schon wieder! Das ist das dritte Mal seit gestern . .. und obendrein zahlt er nie.«
Beaulouis folgte seinem Sohn und ließ die Kerkertür offen.
»Weil du ja beinahe frei bist, sperre ich dich auch nur beinahe ein. Aber du darfst die Umfriedung nicht ohne Eskorte verlassen.«
Justinien rührte das Essen nicht an, ließ sich in der Nähe der Schießscharte nieder, und während er auf Brotstückchen herumkaute, die er in Wein getaucht hatte, begann er, sich aus dem Stück Lindenholz, das er beim Zimmermann »requiriert« hatte, eine neue Nase zu schnitzen. Es war die vierte seit derjenigen, die ihm Papa Martin geschenkt und die der Sittenpräfekt im Priesterseminar wütend zertreten hatte. Daraufhin hatte er sich eine zweite aus Eichenholz gemacht, die ihm von den Gauklern gestohlen worden war, die dritte war in aller Eile in Racleterre angefertigt worden, doch das Tannenholz war während seines Aufenthaltes im Verlies des Königs schimmlig geworden.
Er spuckte auf die Klinge und wetzte sie erst einmal ordentlich an der Kante eines Steins; dabei dachte er wieder an Martin und an den Kummer, den er ihm bereitet hatte. Als seine Klinge scharf genug war, zeichnete Justinien mit Tinte die Form seiner neuen Nase vor, dann ging er mit behutsamen Schnitten seines Messers daran, das Stückchen Lindenholz zu bearbeiten, so wie es Papa Martin ihm beigebracht hatte. Kurze Zeit später kehrte Maître Beaulouis von seiner Führung mit zufriedener Miene zurück.
»Gute Neuigkeiten. Man hat mir gerade mitgeteilt, daß Maître Calzins und seine Gehilfen mit dem Bau des Schafotts auf dem Platz begonnen haben. Offenbar sind dort schon so viele Leute zusammengekommen, daß der Prévôt ihnen eine Kompanie Gendarmen zur Seite gestellt hat, damit sie in Ruhe zimmern können.«
Der Anblick des nicht angerührten Essens stimmte ihn
verdrießlich. »Warum hast du nichts gegessen? Schmeckt es dir etwa nicht?«
Er nahm eine Scheibe kalten Hammelbratens, biß ab und wandte sich dann interessiert dem zu, was Justinien da aus diesem Stück Holz machte. Er erkannte die vorgezeichnete Form einer Nase und lächelte nachsichtig.
Ȇbrigens, riechst du
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