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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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die aß, trank, lachte, sang und Bänke mietete, um besser sehen zu können.
     
    Die Büßer stellten sich in unmittelbarer Nähe des Schafotts auf, während der Hauptmann und seine Männer am Fuße der schönen Treppe aus provenzalischem Eichenholz beiseite traten, um den Scharfrichter, den Verurteilten und den Barmherzigen Bruder mitsamt seinem großen Kruzifix vorbeizulassen.
    Justinien, der unter seinem Wams schwitzte, hörte, wie der Barmherzige Bruder Galine ins Gewissen redete, der ihn um nichts gebeten hatte.
    »Sei tapfer, mein Sohn, denn du mußt diesen Kelch trinken, und sei er auch noch so bitter, mit dem gleichen Mut trinken, wie es unser Herr Jesus Christus am Kreuze getan hat! Obgleich er so unschuldig war, wie du schuldig bist.«
    »Laßt uns jetzt beginnen, Bruder, geht beiseite«, sagte Justinien zu ihm und hinderte ihn daran, ihnen über die Treppe zu folgen.
    Als Pierre Galine auf der Plattform erschien, löste das einen heftigen Tumult aus.
    » In die Hölle! In die Hölle! In die Hölle mit der Bestie! «
    Als Justinien mit seiner Eisenstange oben auf dem Schafott zu sehen war, kehrte wieder Ruhe ein. Man hörte, wie jemand »einen Liard für einen Schemel« bot, »um die Bestie besser begaffen zu können«. Alles wurde noch schlimmer, als Justinien Galine losbinden wollte, damit dieser sich auf das Andreaskreuz legen konnte. Die Knoten waren so fest, daß er sie einfach nicht aufbekam.
    »Zehn Louisdors, wenn du mich rasch tötest. Meine Familie wird dir gleich danach das Geld geben«, wiederholte der Koch sein Angebot und senkte dabei den Kopf, damit die Bewegungen seiner Lippen nicht zu erkennen waren.
    Nachdem Justinien sich erfolglos mehrere Fingernägel abgebrochen hatte, sah er sich nervös um. Er bemerkte den Hauptmann, der noch immer auf seinem Pferd ungefähr zehn Klafter von ihm entfernt saß. Justinien trat an den Rand des Schafotts und rief ihm zu.»Edler Hauptmann, ich bitte Euch! Leiht mir Euren Degen.«
    Der Soldat, der darüber verärgert war, daß nun plötzlich er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, wagte nicht abzulehnen. Er näherte sich dem Schafott und richtete sich in den Steigbügeln auf, um ihm die Waffe zu reichen.
    »Ich habe meinen im Kerker liegengelassen« erklärte Justinien und dankte ihm mit einem Blick.
    Als er die widerborstigen Knoten durchtrennte, erneuerte Galine sein Angebot.
    » Zehn Louisdors. Denk doch nur daran, was du mit soviel Gold alles machen könntest! Mein Vater wird es dir sofort geben. Er sieht gerade zu dir her.. .«
    Justinien, der so tat, als ob er taub sei, schob ihn, ohne grob zu sein, auf das Kreuz zu und befahl ihm, sich darauf zu legen. Folgsam legte sich Galine auf die Verlängerung der Balken, die in Form eines X angeordnet waren, so daß sein Nacken in der Lücke dazwischen zu liegen kam.
    Als sein junger Henker ihn erneut fesselte, versuchte er es hartnäckig noch einmal:
    »Wenn du mir jetzt meinen Hals zerschmetterst, wirst du in weniger als einer Stunde ein reicher Mann sein. Du kannst dir sogar eine Nase aus reinem Gold machen lassen.«
    Justinien spürte die Last von Hunderten von Blicken, die jede seiner Handbewegungen genau verfolgten, auf sich und konzentrierte sich darauf, ihn zu fesseln. Nachdem Galine ordentlich festgebunden war, richtete er sich auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Um mehr Bewegungsfreiheit zu haben, zog er sein Wams aus, das er ordentlich zusammenlegte und neben den Dolch und die Seile legte. Dann streifte er sich die Handschuhe über und hob die schwere Stange auf. Die Menge hielt den Atem an. Alle hörten das Knarren der Holzbretter unter seinen Stiefeln, als er sich mit dem Rücken zur Sonne aufstellte, damit er nicht geblendet wurde.
    Der Augenblick war gekommen. »Denk einfach an den, der dir die Nase abgerissen hat«, hatte ihm der Schließer vorgeschlagen, aber wie sollte man jemanden in Gedanken vor sich sehen, dem man niemals begegnet war? Er zog es vor, an Baldo und Vitou, und sogar ein bißchen an Mouchette zu denken.
    Justinien fixierte den linken Unterarm und schlug zu, so wie man zuschlägt, wenn man Holz hackt. Mit einem dunklen und dumpfen Klang zerschmetterte die Stange die Elle und die Speiche, prallte vom Balken zurück und schickte eine Schockwelle zurück, sie so stark war, daß er von den Zehen bis in die Haarspitzen erbebte. Er ließ die Stange los und stieß einen Schmerzensschrei aus, der sich mit dem Galines vermischte.
     
    Trotz seiner Ungeschicklichkeit

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