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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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seiner Rechten, erhob sich das wiederaufgestellte Schafott, das ihm als Unterkunft für diese Nacht zugewiesen worden war.
    »Ich bin ihr Hund in seiner Hütte«, sagte er sich finster und betrachtete den Klepper, den er gemietet hatte und der jetzt in der Nähe des Karrens graste. Um sein Mobiliar und die Ausbeute der direkten Abgabe hierherzubringen, hatte er zweimal hin- und herfahren müssen, und jetzt war in Ermangelung eines besseren Ortes alles unter dem Schafott abgestellt worden.
    »Sie müssen sich meiner sehr sicher sein, wenn sie mich ganz alleine hierlassen.«
    Tatsächlich hinderte ihn nichts daran, zu gehen und die ganze Nacht hindurch zu laufen. Wenn man sein Verschwinden bemerken würde, wäre er schon weit. Er stellte sich vor, wie er in Bordeaux ankam und an Bord eines Schiffes ging, das ihn in die Neue Welt bringen würde.
    Er sprang wieder auf den Boden und ging zu seinem Schafott zurück, wo er sich, so gut es ging, eingerichtet hatte. Auf der Erde hatte er anstelle eines Fußbodens eine Plane ausgebreitet, auf der er ein Baldachinbett, einen Tisch, eine Bank und eine Truhe für seine Kleidung aufgestellt hatte. In einem Teil des Raums waren die Güter aufgestapelt, die er bei den Kaufleuten eingezogen hatte. Sicher, alle hatten lautstark Einspruch erhoben, sich energisch geweigert, gewichtig gedroht, aber schließlich hatten alle nachgegeben. Fast jedesmal hatte der Gerichtsdiener eingreifen müssen, und nur die Kaltblütigkeit des Hauptmanns der Miliz hatte einen Aufstand in der Gasse der Kornhändler verhindert (diese hatten seine Hand für unnormal groß befunden und verlangt, daß sie von einer religiösen Obrigkeit untersucht würde). Ebenso war es bei den Weinhändlern gewesen, einer Gilde, die sich instinktiv gegen die unvorhergesehene Steuer gewehrt hatte. Auch wenn Justinien nur das Recht hatte, eine Handvoll von allem zu nehmen, war die Ausbeute doch beeindruckend. Letztendlich waren es die schwierigen und unsicheren Straßen gewesen, die dazu geführt hatten, daß sich eine große Anzahl von Läden, Fabriken und Werkstätten in Bellerocaille angesiedelt hatten. Von jeher war in dem Ort alles hergestellt worden, was zur Versorgung seiner Bürger und auch der Bauern notwendig war.
    Justinien öffnete sein Klappmesser, schnitt sich ein Stück geräucherten Schinken ab und aß ihn, während er eine verkorkte Flasche Wein öffnete, der aus einem Faß der Franziskanerabtei stammte. Selbst ein Schwachkopf konnte begreifen, daß er sich bei drei wöchentlichen Entnahmen in kürzester Zeit einen beachtlichen Vorrat schaffen würde, den er entweder verkaufen oder tauschen könnte.
    Mit Hilfe des Weines siegte schließlich sein Optimismus. Er stellte sich vor, wie er sich ein Jahr später weigern würde, die Erneuerung seiner Ernennungsurkunde zu unterschreiben, den Herren seine Ehre erweisen und mit einer prall gefüllten Börse nach Bordeaux ziehen würde. Er sah deutlich seinen Aufbruch in die Neue Welt vor sich, wo er sich ein riesiges Reich schaffen würde. Selbst Gott würde es kaum glauben können! Er wäre im übrigen so gerecht und so beliebt, daß seine Untertanen ihren Kindern die Nasen abschneiden würden, damit sie ihm glichen.
    Er trank seine Flasche Wein aus und aß dazu ein Stück Ziegenkäse, dessen Geschmack er als »sehr streng« befand. Dann öffnete er eine zweite Flasche und ging hinaus, um die letzten Sonnenstrahlen zu genießen.
    Von einer plötzlichen Eingebung getrieben, zündete er nacheinander die großen Haufen von Gestrüpp und Dornen an, die die Erdarbeiter ausgerissen hatten. Dann ließ er sich auf dem Schafott nieder und bewunderte - wie Nero von seinem Balkon aus das Flammenmeer Roms -, wie die Glut den Horizont rot färbte und dicke weiße Rauchwolken ausstieß. Und wieder sah er sich als Kaiser der Neuen Welt. Diesmal eroberte er die Alte Welt an der Spitze einer Armee von Rothäuten, denn das war ja die Hautfarbe der Lümmel dort unten (das hatte er in einem der Almanache von Papa Martin gelesen). Auf seinem Weg würde er Angst und Schrecken um sich verbreiten.
    Plötzlich ließ ihn Pferdegalopp zusammenfahren. Kein ehrlicher Mensch reiste zu so später Stunde, es konnte sich also nur um Banditen handeln, die es auf seine Habe abgesehen hatten. Mit klopfendem Herzen stieg er eilig von dem Schafott, kniete sich unter die Treppe und lud seine Pistolen. Er schoß in die Luft und schrie, so laut er konnte:
    »Halt da! Keinen Schritt weiter, oder ich blase euch

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