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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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werde dich wiedererkennen!« Thomas spaltete ihm den Schädel mit einem großen Stein, nahm ihm die Börse ab (deren Inhalt leider recht mager war) und verging sich lange an seinem Leichnam, ehe er ihn in einen Graben warf und mit trockenen Blättern bedeckte.
    Nachts marschierte er, tagsüber schlief er. So zog er seines Weges, der von Morden und Vergewaltigungen gesäumt war: Einmal war es ein Scherenschleifer aus Berry, ein andermal ein Maulwurfsfänger aus der Dauphiné.
    Eines Abends, als es schneite und er vor Kälte zitterte, überfiel er ein kleines Gehöft. Er fesselte die Frauen und die Kinder und versengte dem Mann die Fußsohlen, bis dieser das Versteck seiner Ersparnisse preisgab. Er hatte zwar nur dreißig Francs erbeutet, doch brachte er vorsichtshalber alle um, vergewaltigte, um etwas Abwechslung zu finden, eine der Frauen und setzte dann das Gehöft in Brand.
    Zwei Tage lang zog er quer durch die Wälder und Felder
    seines Weges; sobald er jemanden sah, verkroch er sich. Unterdessen schmiedete er einen ausführlichen Plan für seine Zukunft: Er wollte nach Hause zurückkehren, dort ein (sehr ebenes) Landstück von zwanzig Hektar kaufen, sich verheiraten und ein Haus für seine künftige Familie bauen.
     
    Auf seinem Weg nach Süden tötete Thomas einen Kaminkehrer aus Savoyen, der nur fünf Francs bei sich hatte, und einen Schnürsenkelhändler, bei dem er sogar nur zwei Francs fand. Das war zwar nicht viel, aber immerhin besser als gar nichts, und es war so einfach! Er begann ein Gespräch, er erweckte das Vertrauen seiner Opfer, wartete auf den geeigneten Augenblick und bum! Immer schlug er von hinten zu und immer sehr heftig auf den Kopf, um jegliche Möglichkeit eines Gegenangriffs auszuschließen. Der schönste Augenblick war der des Durchsuchens (wieviel würde er dieses Mal finden?), und dann folgte die Vergewaltigung, die immer sehr lang, anstrengend und lautstark war.
    Er fuhr fort, alles zu töten, was schwach, allein und schutzlos war, doch schließlich mußte er sich eingestehen, daß der Verdienst nicht der Anstrengung entsprach und daß es Monate dauern würde, ehe er die Summe beisammen hätte, die er zur Verwirklichung seiner Zukunftspläne brauchte. Er begann, von einer Bande zu träumen, die ihm große Taten ermöglichen würde: Eine Bande, die er befehligen würde wie ein Hauptmann seine Kompanie.
    Als Thomas Lerecoux ins Aveyron kam, um sein Hauptquartier im Wald von Palanges aufzuschlagen, waren sechs Jahre seit seiner Freilassung aus dem Militärgefängnis vergangen. Allerdings besaß er keinen Acker in der Nähe von Roumégoux, sondern er war der Anführer einer Diebesbande, die von allen Gendarmen in Frankreich und Navarra gesucht wurde. Oft entkam er nur mit knapper Not, doch nie wurde er gefaßt. Wenn es kalt wurde, zog er sich in sein Winterquartier zurück, um dann im Frühjahr mit den ersten Knospen wieder loszuziehen.
    Im Monat Mai des Jahres 1901 hatte Hauptmann Thomas, wie er sich gerne nennen ließ, unter den vielen Hütten, die sie in dem großen Wald ausgemacht hatten, ein verlassenes Köhlerlager in der Nähe der »Pierre-Creuse« als Bleibe gewählt. Er spielte gerade Würfel mit Raflette, einem ehemaligen Armeesträfling aus dem Limousin, als Zek, der Zigeuner aus der Estremadura, der mit Marius auf dem großen Weg Wache hielt, meldete, daß eine Familie mit einem großen Kutschenwagen eben ihr Nachtlager in der Nähe der »Pierre-Creuse« aufschlage.
    »Wie viele sind es?«
    » Ein Paar und dos chicos! Ich habe también große Koffer gesehen.«
    »Das ist gut, das ist sehr gut!« schrie Thomas. »Gehen wir! «
     
    Außer Raflette, Zek und Marius gehörten noch Guez aus Nimes, Ducasse und Kénavo zur Bande des Hauptmanns Thomas.
    Alle besaßen sie hochmoderne Repetiergewehre wie die, die jetzt bei der Armee und Gendarmerie die alten Chassepotgewehre mit Zündnadel ersetzt hatten. Sie hatten sie letzten Sommer bei einem Überfall auf einen kleinen Gendarmerieposten in Saint-Luzon erbeutet.
    Im Gänsemarsch schlichen die Fersenröster hinter ihrem Hauptmann über den Waldpfad, der von einer Mondsichel, die bisweilen hinter den Wolken verschwand, schwach erleuchtet wurde.
    Thomas' Plan war äußerst einfach: Er hatte vor, die Reisenden außer Gefecht zu setzen, die Spuren des Angriffs zu beseitigen und dann den Wagen zu ihrem Quartier zu bringen. Dort könnten sie die Beute in Ruhe und Sicherheit teilen, eine ruhige Nacht verbringen und am nächsten Morgen zur

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