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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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erreicht hatten? Ob die Schiffe schon angelegt hatten und ihnen die fremden Männer entstiegen? Waren jene vielleicht gar nicht auf einen Raubzug aus, sondern wollten nur sicher in Ufemähe ankern, um hier die Nacht zu verbringen?
    Obzwar sie ihre Aufgabe besonnen hatte erfüllen wollen, machten die Gedanken sie fahrig. So geschah es, dass sie über einen kleinen Vorsprung im unebenen Boden stolperte. Japsend hielt sie sich gerade noch aufrecht, doch sie konnte nicht verhindern, dass eine jener Schalen, die ansonsten das zum Leib Christi gewandelte Brot hielt, aus ihren Händen rutschte und scheppernd auf den Boden kullerte. Er war nicht schmutzig, auch nicht aus bloßem Holz, sondern aus Lehm gestampft, doch – verglichen mit jenen kunstvollen Mosaiken, von denen jene Brüder erzählt, die schon Kirchen in Rom erblickt hatten – sehr ärmlich und keinesfalls heilig.
    Bathildis wusste nicht, was sie mehr erschreckte – das laute Geräusch (wusste Gott, wer es gehört haben könnte) oder die sträfliche Verunreinigung eines heiligen Gefäßes. Dies, so ahnte sie, war noch schlimmer, als ein böses Wort zu sprechen und sich solcherart die Lippen schmutzig zu machen oder den eigenen Leib an verbotener Stelle zu berühren.
    Entsetzt schrie sie auf, stand dann wie starr und blickte auf die Schale, die sich mehrmals um die eigene Achse drehte, ehe sie endlich stillstand. Einen Augenblick war sie sicher, dass die Strafe Gottes augenblicklich über sie hereinbrechen müsste. Manche Menschen waren wegen eines geringeren Vergehens vom Blitz getroffen worden.
    Unwillkürlich duckte sie sich, lauschte in die Stille. Doch entgegen ihrer Erwartung tat sich der Himmel nicht auf, um dasZeichen seiner Rache auf die Erde zu senden, sodass sie sich schließlich wieder aufrichtete und sich zögernd umblickte.
    Die Zeit drängte. Niemand hatte gesehen, was geschehen war – nur Gott allein, aber wäre es für Gott nicht noch viel schlimmer, wenn böse, habgierige Räuber, womöglich sogar Heiden darunter, die geheiligten Gegenstände in die Hand bekommen hätten?
    Die Heiden!
    Die Angst vor den Schiffen, eben noch vom Entsetzen über die eigene Untat verdrängt, durchzuckte sie wieder, löste den Körper aus seiner Starre. Sie dachte nicht länger daran, dass sie noch Schlimmeres getan hatte als die Schwester Messnerin, wäre jene zum Zeitpunkt ihrer monatlichen Blutung dem Altarraum zu nahe gekommen, sondern bückte sich rasch, um die Schale aufzuheben, zum restlichen Geschirr zu legen und dieses hastig einzuhüllen.
    Wenn Gott uns seine Geißel schickt, dachte sie – zu sehr in fiebrige Aufregung versetzt, um zu erkennen, welch frevlerischer Gedanke sich da in ihr festbiss –, so darf Er sich nicht wundem, wenn unser Tun nicht den rechten Gang nimmt...
    Sie schlich wieder lautlos, nur die heiligen Schalen schepperten in dem Bündel, zu dem sie das Altartuch gerollt hatte. Draußen im Freien war es freilich kaum hörbar, wurde von den teils kreischenden, teils sehnsuchtsvollen Stimmen des Waldes übertönt, der dunkel dort hinten lag, ein sicheres Versteck, nur viel zu weit entfernt.
    Ihr Herz hämmerte, als sie sich zum Meer umdrehte. Es schien völlig glatt zu sein, wie die nackte Haut eines sehr jungen Menschen, nicht aufgewühlt von Schiffen und deren Ruderschlägen. Doch dass von ihnen nichts zu sehen war, beunruhigte Bathildis noch viel mehr. Nichts anderes konnte es bedeuten, als dass sie längst am Ufer – von ihrem Standpunkt nicht auszuspähen – angelegt hatten.
    Und dort vorne – waren da nicht Schatten? Bewegten sich nicht Büsche?
    Lauf!, dachte sie hektisch. Lauf!
    Und zugleich: Wenn ich laufe, so werde ich auffallen.
    Unentschieden verharrend, erwachten wieder Gedanken an den bislang fremden, gesichtslosen Vater; erneut begann sie, das Bild von ihm zu malen: groß und stark und dunkelhäutig; ein Rächer und Beschützer, ein Helfer in der Not. Solcherart wähnte sie sich genug gestärkt, um eine Entscheidung darüber zu treffen, wie sie sich am besten fortbewegen sollte.
    Als sie erneut vermeinte, in der Ferne schattenhafte Bewegung zu erspähen, folgte sie nicht der ersten Regung aufrecht laufen, sondern bückte sich, um – vom Gestrüpp geschützt – zu kriechen. Sie kam zwar langsamer voran als gehend, doch näherte sich stetig dem Taubenturm, die eine Hand als Stütze nutzend, während sie mit der andern noch immer fest das Bündel umgriffen hatte. Sie vermied es, Zeit zu verschwenden, sich umzudrehen,

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