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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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wiewohl das Gefühl von Bedrohung ihr im Nacken saß und sie mehr als einmal sicher glaubte, dass das gelbe Mondlicht den Schatten eines Riesen auf sie werfen würde.
    Wenn ich jetzt sterbe, ging ihr durch den Kopf, wenn ich jetzt sterbe, dann habe ich keine Erinnerung an mein Leben, dann werde ich meinen Vater niemals wiedersehen...
    Der Gedanke an solch Versäumnis spornte sie an. Mit wunden Knien und aufgescheuerten Händen – dort, wo das Bündel in ihre Haut schnitt – erreichte sie endlich den Taubenturm, der auf dünnen Holzpfosten stehend in die Höhe ragte.
    Bruder Desiderius hatte ihn errichten lassen – jener Bruder, der einst mit dem großen Paulinus in Rom gelebt, das dortige Sankt-Andreas-Kloster aber verlassen und auf Wunsch des Papstes Gregor Paulinus nach Britannien begleitet hatte, um hier den christlichen Glauben zu verkünden. Desiderius hatte sich gefügt, obwohl ihm der Eifer von Paulinus fehlte und er nach zwei aufreibenden Jahrzehnten, da er gepredigt und getauft hatte, seinen morschen Gliedern und den Schmerzen, die diese bedingten, überaus dankbar war. So war ihm nämlich weiteresReisen unmöglich, und er fand hier im Kloster eine sichere Zuflucht. Seinen Lebensabend verbrachte er nicht in Gedanken an die vielen von ihm bekehrten Heiden von Northumbrien, sondern mit der Erinnerung an Rom und an die naturwissenschaftlichen Studien, die er dort betrieben hatte. Dazu gehörte auch das Wissen, dass man jene grauen Vögel, welche Tauben hießen, eindrucksvoll dazu erziehen konnte, als Boten Briefe zu überbringen. Was im alten Imperium noch üblich war und geholfen hatte, manchen Krieg zu gewinnen, stieß hierzulande auf Misstrauen. Doch man gönnte dem alten Mann die Marotte, einen Taubenturm zu bauen und die Vögel zu züchten, und wiewohl es ihm nie gelungen war, eines der grauen Tiere, die dort droben in den Verschlägen nisteten, zum eigentlichen Zwecke zu erziehen, lohnte sich das seltsame Konstrukt zumindest in dieser Nacht.
    Als Bathildis es erreichte, richtete sie sich vorsichtig auf und griff nach einem der Holzpfosten. Wenigstens waren die Nonnen so klug gewesen, sämtliche Kerzen und Kienspäne zu löschen – auch wenn dies bedeutete, dass sie sich mehrmals den Kopf anschlug und nicht erkennen konnte, wie sie hochsteigen sollte. Etwas Klebriges rann ihr von der Stirne. Sie konnte es nicht sehen, aber es musste wohl der weiße Kot des Vogelviehs sein.
    »Bathildis!«, raunte eine Stimme. Sie wusste nicht, wer es war. »Bathildis! Komm herauf zu uns!«
    Endlich ertastete sie im Finstern eine Holzleiter.
    Sie kletterte vorsichtig, Stufe für Stufe; es gelang ihr sogar, für einen Augenblick die Bedrohung in ihrem Rücken zu vergessen, weil sie sich ausschließlich darauf konzentrierte, das Bündel mit den Altargegenständen festzuhalten. Kaum auszudenken, es hätte sich geöffnet und sämtlicher Inhalt wäre in den Taubenkot gefallen – und das vor den Augen der Nonnen.
    In der Mitte angekommen, wurde es ihr gottlob abgenommen. Suchende Hände griffen auch nach ihrem Leib, zogen siehoch, und schnaufend konnte sie sich nach weiterem Klettern endlich auf die knirschenden Holzbalken fallen lassen. Eng war die Fläche, auf der sich die Nonnen zusammengerottet hatten; man konnte kaum hocken, eigentlich nur liegen. Keine wagte, sich zu regen, aus Angst, der klapprige Verschlag könnte in sich zusammenbrechen.
    Waren die Angreifer schon auf dem Weg zu ihnen? Klangen Geräusche herauf? War es nur die Brandung, die in der Ferne raunte, oder Boote, die gegen den Grund schlugen, Schritte, die über das Geröll des Strandes stiegen?
    Bathildis fühlte, wie eine Hand nach ihr fasste, die ihre umklammerte und nicht mehr losließ. Hereswith. Ihre gleichaltrige Gefährtin, die wie sie aus Northumbrien stammte. Bis auf die gemeinsame Herkunft gab es wenig, worin sich die Mädchen ähnlich waren, doch weil sie im Dormitorium nebeneinander schliefen, wie sie auch nebeneinander aßen, beteten und ihre Aufgaben erfüllten, hatten sie sich so aneinander gewöhnt, dass sie zu Freundinnen geworden waren.
    Hereswith war auch an gewöhnlichen Tagen viel sanfter, mutloser, schweigsamer als Bathildis, in dieser Nacht wurde sie jedoch fast wahnsinnig vor Furcht.
    Bathildis spürte Hereswiths Fingernägel, wie sie ihr ins Fleisch stachen, hörte in der Stille nichts als ihren keuchenden Atem, dann wurde jene plötzlich unterbrochen – von einem deutlich artikulierten Gebet.
    »Exaudi Deus orationem meam et ne

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