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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Holzleiter ertastete, auf der sie kurze Zeit zuvor nach oben geflohen war. Selbst Godiva, die sich ob Bathildis’ unbotmäßigem Betragen noch nicht wieder beruhigt hatte, hockte in diesem Augenblicke bebend. Angstschweiß perlte von ihrem länglichen Gesicht. Bathildis konnte ihn riechen – desgleichen die Ausdünstungen des Mannes, salzig wie das Meer und verdorben wie dessen Schlamm.
    Ich will nicht sterben, ich will nicht sterben, ging ihr ein ums andere Mal durch den Kopf. Ich will mein künftiges Leben noch kennen lernen... meinen Vater... o, wärst du hier und würdest mich beschützen!
    Hereswith, die ängstliche Gleichaltrige, hielt wieder ihre Hand und drückte sie so fest, dass Bathildis vermeinte, alle Knochen müssten ihr brechen. Sie ertrug den Schmerz gerne; er lenkte sie ein wenig von der Furcht ab, und Hereswiths Körper, der sich an sie presste, schenkte die Gewissheit, dass sie nicht alleine war in ihrer Not.
    Dann – wieder ein Geräusch. Das Gebälk erzitterte.
    Wer immer sich dort unten genähert hatte, schien bereits auf der untersten Stufe der Leiter zu stehen, vorsichtig sein Gewicht zu verlagern, um zu prüfen, ob sie denn stabil genug sei, ihn zu halten.
    Und jetzt – setzte der Fremde nicht schon seinen Fuß auf die zweite Stufe?
    Der Augenblick schien ewig zu dauern, und das quietschende Geräusch, das nun ertönte, war laut wie ein Knall.
    Schon vermeinten die Nonnen, dass sich der Kopf eines Angreifers sogleich nach oben schieben und sie entdecken müsste, doch was nun folgte, war kein neuerliches Knacken der Leiter, sondern... Schritte. Diesmal leiser werdend. Ein Knirschen auf einem Boden, dessen Gras oft von dicken Schichten weißen Sandes bedeckt war. Der Mann hatte der Leiter nicht getraut.
    Er geht weg, durchfuhr es Bathildis, und sie lauschte so angestrengt, bis ihr der Schädel zu platzen drohte, gleich so, als wäre der Wurm vom Magen in den Kopf gekrochen, um dort zu wüten.
    Irgendwann gab es nichts mehr zu erlauschen, weder Schritte noch Gegröle, noch Bersten noch Brechen – nur die Vögel schrien pfeifend und hoch, im fernen Wald und vom Meer.
    Bathildis hielt die Augen geschlossen, um die Stille – bar sämtlicher anderer Eindrücke – genauer zu erforschen. Konnte es sein, dass die wilden Räuber fort waren? Dass sie das wenige, was das Kloster besaß, genommen hatten und nun enttäuscht und immer noch hungrig nach Reichtümern weitersegelten?
    Sie wagte nicht, diese Frage laut zu stellen. Keiner wagte das – auch als die Sonne hoch am Himmel stand, später die Himmelsleiter wieder herabkletterte und es dunkelte. Auch als das Morgengrauen die zweite Nacht beendete, die sie im Taubenturm zubrachten, wagten sie keine Geräusche zu machen. Niemand beklagte seinen Hunger und den Durst, wiewohl beides Stunde um Stunde unerträglicher wurde. Mit der Zeit roch es scharf nach Urin.
    Godiva war die Erste, die in der Mittagszeit des zweiten Tages schließlich das Wort erhob. Fast trotzig begann sie wieder, in die ächzende Stille zu beten: »Redimet in pace animam meam ab his qui adpropinquant mihi quoniam inter multos erant mecum.«
    Er befreit mich, bringt mein Leben in Sicherheit vor denen, die gegen mich kämpfen, und wenn es auch viele sind.
    Niemanden gab es diesmal, der sie zum Schweigen bringen wollte. Die Anspannung löste sich; manche Träne kullerte, und schließlich stimmten zwei oder drei der anderen in das Gebet ein.
    Als verhießen die gemurmelten Worte genaue Befehle, was nun zu tun sein, begann die Äbtissin, den gekrümmten Rücken zu strecken und schließlich als Erste die Holzleiter hinabzusteigen. Vielleicht wäre es klüger gewesen, hernach zu warten, obsie denn ein Zeichen gäbe, dass alles friedlich wäre. Aber nach dem langen Ausharren war kein Halten mehr.
    Kaum hatte Eadhild wieder sicheren Boden unter den Füßen, stürmten auch die Nonnen hinab, eine nach der anderen, und was Bathildis, die als eine der Letzten ins Freie trat, dann erschaute, war ein gar merkwürdiger Tanz, wie von armen Geistern, die keine Ruhe finden.
    Keiner konnte hernach sagen, wer angefangen hatte. Aber eine der Nonnen, ansonsten gewiss still und demütig, begann zu kreischen, die Hände wie irr über den Kopf zu recken und – sich im Kreise drehend – auf den Boden zu stampfen. Die anderen folgten mit nicht minder seltsamen Verrenkungen, mit Geheule oder mit Gelächter, indem sie liefen oder sich auf die Erde warfen. Manche hob gar ihre graue Kutte, sodass man die

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