Die Regentin (German Edition)
beiden. Ebroin hat auf den König eingeredet, und dann hat er...«
»Aber...«, brachte Bathildis hervor – und jetzt erst, da die Heimat erneut verloren war, fast grausamer als beim ersten Mal, denn heute vielleicht für immer, da sah sie es: Aidans vertrautes Gesicht; seine roten Wangen, sein Lächeln.
Alsbald verschwamm der Anblick, und dahinter erschien jener von Erchinoald. Er machte nicht länger einen verwirrten Eindruck, sondern grinste jäh abfällig.
»Ungeheure Ehre wird dir zuteil, Bathildis«, sprach er. »Ich soll dir vom König bestellen, dass er dich zur Gattin nehmen will. Gar Wunderliches sprach er von dir. Dass du allein vermagst, die vielen Stimmen in seinem Kopf zum Schweigen zu bringen. Dass du stark bist wie seine Mutter.«
»Sie war eine Königin!«
»Auch du wirst eine sein. Ich weiß nicht, wie du’s angestellt hast, aber er sieht die entschlossene, willensstarke Nanthild in dir. Man erzählt von ihr, sie habe den damaligen König Dagobert, Chlodwigs Vater, nicht nur mit ihrer Schönheit, sondern auch mit ihrem forschen Wesen eingenommen. Ohne sie hat Chlodwig sich stets verloren gefühlt.«
»Aber er hat versprochen, mich gehen zu lassen!«, schrie sie auf. »Er kann dieses Versprechen nicht brechen!«
Erchinoald bleckte seine gelben Zähne.
»Doch, er kann«, gab er zurück. »Du jedoch kannst nicht. Du kannst dich ihm nicht verweigern, wie du dich mir verweigert hast. Und denke nicht, du könntest ihn mit deinen traurigen, flehentlichen Augen milde stimmen. Er weiß, was er dir antut.«
»Ich bin eine Sklavin!«
»Ha!«, lachte er. »Ich dachte, du hättest stets darauf bestanden, eine Fürstentochter zu sein? Nun, dies stört nicht. Weiß Gott, du wärst nicht die erste, die von ganz unten kommt. Chrodechilde, die Gattin des großen Chlodwig, hat armselig in Burgund gelebt, geächtet und gequält, nachdem ihr Onkel Gundobad Vater und Mutter mit einem Stein um den Hals im Brunnen ertränken hat lassen. Trotzdem hat der König sie zu seinem Weib gemacht. Und Theudogildis, die Gattin Chariberts, war die Tochter eines Schafhirten. Brunichild hat Bilichild erst kaufen müssen, ehe sie sie zur Schwiegertochter machte. Und Nanthild selbst, so sagt man, hat noch viel dreckigere Dienste verrichten müssen als du, ehe Dagobert zu ihren Gunsten seine Gattin verstieß und mit ihr den König zeugte. Du bist in guter Gesellschaft, Bathildis.«
»Ich will es nicht! Ich hab das nie gewollt!«
»Du wirst die künftigen Könige gebären. Deine Abstammung zählt nicht – wenn sie aus Chlodwigs königlichen Samen hervorgehen. So ist es Sitte in diesem Land.«
»Nein!«, schrie sie. »Nein!«
Er grinste nicht nur, er lachte bitter. Dann beugte er sich vor, fiel vor ihr auf die Knie. Und während sie erfasste, dass sie sich gegen seine Gunstbezeugungen so wenig wehren konnte wie gegen des Königs Vorhaben – schlichtweg, weil keiner ihr einen eigenen Willen zugestand –, duckte er sich tief und sprach: »Ich hoffe, du vergibst mir die unzüchtigen Worte, die ich einst zu dir sprach, meine Königin. Ich hoffe, du erlaubst mir, dein treuer Diener zu sein. Wisse, ich bin dir wohlgesonnen – solange du dich still verhältst. Also füge dich in deine Rolle und hör zu klagen auf!«
Bathildis erlebte den Tag ihrer sponsalia – der förmlichen Verlobung, die bei gewöhnlichen Paaren oft Jahre vor der eigentlichen Eheschließung stattfand, in ihrem Falle nur wenige Tage zuvor – ähnlich jener Zeit, da sie mit Sicho durch die Lande gezogen war, den Geist stets auf die nächste Stunde ausgerichtet, nicht auf die Gesamtheit der Zukunft, gleich so, als schritte sie im diesigen Licht, das nicht weiter schauen ließ als eine Armlänge.
Auch als Gertrude ihr half, sich anzukleiden, machte sie sich keine Vorstellung von ihrem baldigen Erscheinungsbild, sondern betrachtete jedes einzelne Kleidungsstück mit ernsthaftem Gesichtsausdruck, als ergründe sie sämtliche Rätsel der Welt – nur das des eigenen Lebens nicht.
Solch edles, feines Gewand hatte sie ihr Lebtag noch nicht getragen: Da war zuerst ein Hemd aus Lammwolle, aus so dünn gesponnenen Fäden gewebt, dass es ganz glatt auf der Haut lag. Darüber ward eine Tunika aus Seide mit kurzen Ärmeln geworfen – dunkelrot, in der Farbe der Bräute. Gertrude betrachtete sie ehrfurchtsvoll, ehe sie den Mantel reichte, aus braunroter, leinengefütterter Seide, mit weiten Ärmeln und goldbestickten Manschetten. Am Hals und auf der Brust ward er mit
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