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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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vorzustellen, die die Reise ihnen auferlegen könnte: Was nützten ihnen die Bücher – wenn sie samt ihrer im Meer ersaufen würden? Was, wenn sie vor Kälte froren und diese verbrennen müssten, um Feuer zu haben?
    »Nicht kälter ist’s, woher ich stamme, als hier!«, warf Bathildis ein und erntete diesmal verwunderte Blicke.
    Dass sie ein Mädchen mit sich nehmen sollten, abzugeben am Hof des Königs vom northumbrischen Reich Deira, war anfangs für sie noch größeres Ärgernis gewesen als die bevorstehende Reise selbst. Jetzt erstmals schienen sie sich zu fragen, ob es nicht auch Trost verheißen könnte, weil für dieses Mädchen die furchteinflößende Fremde eben keine Fremde war.
    »Erzähl«, forderte der eine Mönch, indessen der andere ein Kreuzzeichen schlug und einen Psalm vor sich hin murmelte, »erzähl von deiner Heimat.«
    Der Karren ruckelte. Er war prächtiger als jener, vor den seinerzeit Sicho einen sturen Ochsen gespannt hatte, und er waranstelle eines solchen von einem Gaul gezogen – und doch knirschten die Räder bedrohlich, kaum dass er sich in Gang setzte. Einer der Brüder seufzte, als wäre dies der Laut einer Höllenkreatur.
    Unwillkürlich zuckte auch Bathildis zusammen, erst jetzt innewerdend, dass sie tatsächlich aufbrach, dass das Versprechen des Königs eingelöst ward. Sie hatte darauf gewartet, es bangend herbeigesehnt – und wähnte es plötzlich überstürzt kommen, zu schnell, um ausreichend Abschied genommen zu haben.
    Chlodwig, der von der Mission der Mönche gehört hatte und darin die Möglichkeit sah, ihr den nötigen Schutz für die Heimkehr zu geben, war nicht mehr für sie zu sprechen gewesen, hatte sich zurückgezogen und wollte sich den Schmerz des Lebewohls ersparen.
    Gestern Abend und auch noch heute früh hatte Bathildis gerne darauf verzichten wollen. Erst jetzt war ihr, als würde etwas fehlen, etwas unwiederbringlich verloren sein.
    Sie schalt sich selbst dafür. Gewiss, Chlodwig tat ihr leid. Von wem aber sonst ging sie, an dem ihr etwas lag?
    Erchinoald und Leutsinda? Gewiss nicht! Ebroin oder Itta? Noch weniger. Gertrude war stets freundlich gewesen, aber ihr andauerndes Plappern lästig. Es war besser, sich der Zukunft zuzuwenden. Es war besser...
    »Nun, sag schon«, unterbrach der Mönch ihre Gedanken, »wie ist es im Land hinter dem Meer?«
    Bathildis lächelte freundlich, öffnete den Mund, um ihnen die Furcht zu nehmen – und schwieg verstockt, an jenen Tag erinnert, da der Vater sie holen kam und alles, was sie erwartete, unbekannt war, wie von einem schwarzen Tuch eingehüllt, das sich über den Blick senkt und sämtliche Farbe verschluckt. Nicht einmal Konturen gab es zu erschauen, denn sie hatte keine Erinnerung an das Ziel ihrer damaligen Reise, und der Vater hatte sich als bockig und verschwiegen erwiesen. Sie hatte nicht gewusst, wohin der Weg gehen würde, sich auch von Aidansschmächtiger, blonder Gestalt nicht trösten lassen. Erst als sie an seiner Seite gelegen hatte... erst, als er ihr vom König Penda berichtete... ja, da war sie sich immer noch nicht gewiss gewesen, ob er zum Gatten taugte, lediglich dessen, dass er inmitten der wortkargen, hünenhaften Männer der einzige war, mit dem sie sich das gemeinschaftliche Leben vorzustellen wagte. In Northumbrien. Der Heimat, die sie nie mit den Augen einer Erwachsenen gesehen hatte.
    »Nun sag schon«, drängte der Mönch erneut, »wer bist du eigentlich? Woher stammst du? Wer sind deine Eltern?«
    Die Räder knirschten wieder. Sie blickte den Mönch an, sah in das Gesicht eines Fremden, mit dem sie nun über Wochen zusammen sein sollte.
    »Meine Eltern sind beide tot«, sprach sie, und ihr Ton hätte nicht ängstlicher sein können.
    Was erwartete sie in der Heimat? Die Familie ihrer Mutter Estrith? Nun, Estrith stammte nicht aus dem Norden, sondern aus Kent. Die ihres grausam getöteten Vaters Thorgil? Sie hatte stets nur von seiner boshaften Mutter Acha reden hören, niemals von Schwestern oder Brüdern. Und Aidans Vater? Hatte er den Überfall der Friesen vielleicht doch überlebt, oder war seine Leiche – was viel wahrscheinlicher war – blutüberströmt im Waldmoos verrottet?
    »Und wer erwartet dich an ihrer Stelle?«, fragte der Mönch, als könnte er den nagenden Zweifel hören.
    Da richtete sie sich auf, so weit es in einem Gefährt wie diesem möglich war, das eng und dunkel war und nur durch die aneinanderklatschenden Ledervorhänge Licht erhielt.
    »Der Mann, dem ich

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