Die Regentin (German Edition)
versprochen bin«, erklärte sie, so erhaben sie nur konnte.
Der Mönch zuckte mit den Schultern, sagte nichts mehr.
Bathildis schloss die Augen.
O Aidan, dachte sie. O Aidan.
Sie sah ihn nicht. Vielleicht hätte sie die Erinnerung heraufbeschwörenkönnen, wie sie da gemeinsam auf dem Sklavenmarkt standen und er sich in die Stricke fallen ließ vor Müdigkeit und Schwäche. Aber das wollte sie nicht. Sie wollte ihn sehen, wie er in der Heimat wieder zu Kräften gekommen war, wie er sie strahlend begrüßen würde. Denn er lebte ja; sie wusste es ganz sicher; er hatte es geschafft zu überleben, so wie sie, unter vielen Opfern, aber mit festem Willen.
Er wird mich erwarten, er wird mich erwarten!, dachte sie und suchte in ihrem Gedächtnis den Anblick seiner blonden Locken. Sie fand ihn auch. Nur das Gesicht zwischen den Locken – es war ein grauer Fleck, als trüge er eine Maske aus getrocknetem Schlamm.
Der Wagen, wiewohl weiterhin ruckelnd wie bei den ersten Umdrehungen der Scheibenräder, nahm an Fahrt auf. Es war nun leichter, die Balance zu halten – und einer der Mönche nutzte sie, um erneut ein Kreuzzeichen zu schlagen und sich ängstlich zu ducken, als wäre es ratsam, sich schon im Voraus vor den wilden Heiden zu verstecken.
Bathildis schlug die Augen wieder auf. Sie konnte nicht umhin, schrill aufzulachen, erleichtert, dass die Furcht der beiden Gottesmänner offenbar größer war als ihre eigene.
Ihr Lachen war kaum verstummt, da hielt das Gefährt an. Sie hatten gerade die Brücke überquert, unter der die grüne Seine gemächlich dahinfloss.
Die Mönche blickten sich an – zuerst beunruhigt über das Unvorhergesehene, dann erleichtert ob des Aufschubs.
»Warum geht es denn nicht weiter?«, fragte Bathildis unbehaglich.
Im nächsten Augenblick vernahmen sie den Grund für diese unfreiwillige Rast.
Von jener Richtung, in der sie die Königsburg zurückgelassen hatten, ertönte ein kurzes, bündiges »Halt!«.
XVI. Kapitel
Es war Erchinoald, der es ihr erklärte – der zumindest versuchte, es ihr zu erklären, mit kryptischen Worten, gestottert und nicht zu ganzen Sätzen verknüpft.
Bathildis verstand nicht, was er ihr sagen wollte. Nachdem ihre Reise schon so bald zu Ende gegangen war, war sie zu Fuß zurückgegangen, begleitet von den Männern, die sie aufgehalten, aber keinen Grund dafür genannt hatten. Die Mönche hatten nicht danach gefragt, schienen nur enttäuscht, dass das »Halt!« Bathildis gegolten hatte, nicht ihnen. Grußlos waren sie wieder im Inneren des Gefährts verschwunden, und Bathildis hatte ihm ohnmächtig nachsehen müssen.
Forsch versuchte sie, Erchinoald in die Augen zu sehen, auf dass diese – wenn schon nicht die wirren Worte – ihr die Wahrheit verrieten.
Er aber hielt den Blick gesenkt.
»Bathildis«, murmelte er ihren Namen, und die Stimme klang so sanft wie in jener Stunde, da sie aus dem Fieberwahn zurückgekehrt war und er noch meinte, sie könnte seine Konkubine werden, nicht seine Sklavin. »Bathildis... du kannst nicht gehen.«
Den vagen Andeutungen hatte sie sich noch zu verweigern gewusst. Nun sprang die Wahrheit sie an, ganz gleich, ob er auf seine Fußspitzen lugte oder nicht.
»Was ist geschehen?«, fragte sie – und wusste es längst.
»Der König wagt nicht, es dir selbst zu sagen. Er will dir nicht in die Augen sehen müssen, wenn du es erfährst.«
»Was soll ich erfahren?«
»Er weiß, dass es dein sehnlichster Wunsch ist, in deine Heimat zurückzukehren. Aber noch stärker als das Bedürfnis, deinen Wunsch zu erfüllen, ist jenes, dich bei sich zu behalten.«
Je länger er sprach, desto missmutiger klang er.
»Das kann nicht sein. Der König hat...«
»Der König hat befohlen, dich aufzuhalten«, fuhr Erchinoald fort, und seine Worte klangen nun klarer. »Und Ebroin hat ihn darin bestärkt. So nah wie er steht dem König keiner – auch ich nicht... Ja, ja, ich durchschaue Ebroin. Ich weiß, was er bezweckt. Er hatte stets Angst vor der Frau, die der König dereinst heiraten wird, und noch mehr als diese Frau hat er deren Familie gefürchtet. Ein Mädchen wie du jedoch wird ihm niemals gefährlich, wird ihm niemals den Rang streitig machen, sich zwischen ihn und den König drängen. Das hat er von Anfang an geahnt... und am Ende nicht einsehen wollen, dass dich der König nicht in jener Weise festhielt, wie er’s ihm riet. So musste er jetzt mit manch eindringlichem Wort nachhelfen. Ich habe sie vorhin gesehen – die
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