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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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hinweggeplaudert hatte, schob Chimnechilde die Zukunft eines Reiches beiseite, in dem der Major Domus mehr zu sagen hatte als der König und in dem der Adel derart zerstritten und missgünstig war, dass lieber einem fremden Prinzen die Krone angeboten wurde als dem Sohn des eigenen Königs.
    Früh ließ Bathildis Chimnechilde alleine, ahnend, dass ihre Willenskraft nicht ausreichte, um eine ehrliche, aufrichtige Seele auf das Wohl ihres Zweitgeborenen einzuschwören. Morgen schon würde sie von ihm lassen müssen, und in trüber und zugleich schicksalsergebener Stimmung erwartete sie das Festbankett an diesem letzten Abend in Metz. Sie ahnte nicht, dass der Abend mehr für sie bereithielt als nur die müde Sorge um den Sohn und das Unbehagen ob all der Missgunst, all des Zwists, der hinter jedem nichtig netten Wort zu hocken schien.
    Der Abend unterschied sich zunächst nicht von anderen, die ihm vorangegangen waren. Die Tische neigten sich unter dem Gewicht köstlicher Speisen; schön gekleidete Mädchen spielten Flöte und Zither, und ein Sänger trug mit schmachtender Stimme die Geschichte von der Bekehrung des großen Königs Chlodwig vor. Jener war von den Alemannen schon fast geschlagen, da erhob er seine Augen zum Himmel, sein Herz wurde gerührt, seine Augen füllten sich mit Tränen, und er sprach: »Jesus Christus, mein Weib Chrodechilde sagt, du bist der Sohn des lebendigen Gottes; ich flehe dich demütig an um deinen mächtigen Beistand.«
    Zu späterer Stunde wurde zum Tanz gerufen, und die Versammelten standen rasch juchzend und jubelnd um das kindliche Paar, Childerich und Bilichild, welche sich gemeinsam am Tripodium versuchten, einem Tanz, bei dem alle einen Kreis bildeten und sich im Takt der Musik bewegten. Die Kinder waren verbissen darum bemüht, die Bewegungen der Erwachsenen nachzuäffen. Bilichild hatte die Augen weit aufgerissen, und erstmals erkannte Bathildis in dem kleinen, blonden Mädchen die Züge ihrer Mutter: Noch war die kindliche Haut nicht aufgedunsen, jedoch das Lächeln so steif, so aufgesetzt und zugleich so ausdauernd, als hätte man dem Kind, das selbst nichts sagte, schon ausreichend eingebläut, dass die Welt zu ertragen war und die eigene Stimmung nicht zählte. Childerichs Gesicht war gerötet; die fortwährende Aufmerksamkeit, die ihm entgegenschlug und für ihn am Anfang gewiss Triumph verheißen hatte, schien ihn nun anzustrengen, desgleichen sein Wunsch, dies nicht zu zeigen.
    Unwillkürlich schlug Bathildis die Augen nieder, um sich vor dem Anblick des eigenen Sohnes zu bewahren. Ganz gleich, in welcher Weise sich sein Wesen hier entfalten mochte, ob zum Guten oder nicht – sie konnte keinen Beitrag mehr dazu leisten, sie hatte ihn längst aufgegeben. Im Grunde war sie ihm niemals nahe gewesen.
    Stark war ihre Lust, sich zurückzuziehen, als just ein Mann an ihre Seite trat und wie die anderen das kindliche Paar betrachtete. Seine Worte verrieten größeres Wohlwollen, als Bathildis aufzubringen imstande war.
    »Er scheint ein willensstarker Knabe zu sein«, murmelte er anerkennend.
    Etwas lag in seiner Stimme, was aufrichtig klang.
    »Das gewiss«, stimmte sie darum hastig zu.
    »Er muss diese Willensstärke von Euch haben, nicht von seinem Vater«, fuhr der andere fort.
    Bathildis blickte überrascht auf. »Wie könnt Ihr...«, setzte sie an, um sogleich zu verstummen, denn jene Anmaßung, die in seinen Worten lag, war nicht von kränkender Absicht gezeugt, sondern von einer Ehrlichkeit, die sie als erfrischend empfand.
    »Ja«, gab sie schließlich zu. »König Chlodwig war ein herzensguter Mann... jedoch oft zögerlich. Wie aber kommt es, dass Ihr davon wisst?«
    Sie musterte den Mann genauer, erkannte, dass er die Haare zur Tonsur geschoren trug, was ihn als Priester oder Mönch auswies. Er war vom Alter und einem beschwerlichen Leben gezeichnet. In jedem Fall hob ihn sein freundliches, offenes Lächeln wohltuend von den anderen Männern ab, die sie hier am Hofe kennengelernt hatte: Die Großen Austrasiens nannten sich selbst gerne Bellatores , Kriegsherren, wiewohl sie ihre Körperkraft viel lieber an die Jagd verschwendeten als an den Waffengebrauch, sie sprachen laut und viel und schienen auch noch stolz darauf zu sein, dass sie des Lateinischen nicht mächtig waren.
    »Ich bin Dagwulf, ein Schüler jenes Franken Agilbert, welcher zuerst nach Irland ging, um dort zu studieren, später nach Dorchester, wo man ihn zum Bischof berief, wiederum später nach

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