Die Regentin (German Edition)
kappen, jedoch so knapp wie möglich halten), und sie war bestrebt, die Mildtätigkeit gegenüber dem gemeinen Volke, gegenüber den Unfreien und auch gegenüber den Klöstern nicht abreißen zu lassen.
Und doch – die Reisen waren seltener geworden. Viel mühseliger als einst deuchte es sie, tagelang im rumpelnden Wagenzu sitzen, und darum schickte sie andere, die für sie die Anstrengung ertrugen und ihr über sämtliche Vorkommnisse Bericht erstatteten. Manchmal schob sie jenes größere Ausmaß an Ruhe, das in gleicher Weise Frieden wie Lähmung verhieß, auf ihr zunehmendes Alter (immerhin hatte sie das dritte Lebensjahrzehnt überschritten). Manchmal erklärte sie es damit, dass sie vieles von dem, was sie wollte, auch erreicht hatte. Und manchmal wiederum erinnerte sie sich daran, dass das Leben erträglicher war, wenn sie sämtliche Regungen des Gemüts klein hielt, anstatt sie gegeneinander aufzuhetzen.
Vielleicht galt für ihr Wesen Gleiches wie für ihr Land: Dass es bisweilen besser war zu morden und zu unterdrücken, als ständig Zwietracht zu befürchten; besser auch, mit harter Hand zu herrschen, als angestrengt auf jedes kleinste Mucksen des Protestes und der Unzufriedenheit zu lauschen.
Ähnlich dachte sie, als sie nach dem Schreiben ans Fenster trat, in jenen Hof starrte, wo sie einst die kleine Rigunth aufgelesen und von ihrem Los errettet hatte, und sich die Worte durch den Kopf gehen ließ, die sie eben festgehalten hatte. Ja, da war Bedauern, dass sie keine Nachricht von Aidan erhielt – aber ebenso auch Erleichterung, weil ihr solcherart eine größere Gemütsanstrengung erspart blieb. Sie konnte auf einen Brief seinerseits hoffen, was gleichsam hieß, dass sie nach vorne blicken konnte, ohne dass das Heute von der Last der Vorstellung beschwert war, wie er tatsächlich lebte, dachte, sich verhielt.
Leise klopfte es an ihrer Türe, und den eintretenden Schritten folgte alsbald ein lauer Fluss von Worten. Bathildis musste sich nicht umdrehen, um zu erkennen, wer sie da belästigte. Gertrude hatte Jugend und Beweglichkeit eingebüßt; das unaufgeregte Leben bei Hofe hatte sie fett gemacht – aber geschwätzig war sie wie eh und je, und es gab wenig bei Hofe zu wissen, von dem sie nicht erfuhr.
Bathildis lauschte nur mit halbem Ohr.
Ja, Fara kränkelte seit Wochen, das hatte sie auch schon vernommen,und konnte kaum mehr das Bett verlassen. Besser war, sie von der Aufgabe zu entlasten, auf die beiden Prinzen zu schauen. Chlothar, fast zwölf, brauchte ihre Fürsorge ohnehin seit langem nicht mehr, weil stets eine Vielzahl an Erziehern und Priestern sich um ihn scharte. Und auch Theuderich entwuchs mit seinen neun Jahren den weiblichen Händen, gleichwohl er so viel sanfter war als seine Brüder. Warum also das Gemüt der Alternden aufwühlen, indem man ihrem Amt ein striktes Ende setzte?
»Theuderich treibt sich lieber in der Schreibstube herum als in der Waffenkammer«, plapperte Gertrude. »Man sagt, er fürchte sich vor Pferden...«
Bathildis hörte leisen Spott und antwortete schroff darauf: »Und das ist sein gutes Recht!«
Sie sprach es nicht laut aus, aber Gertrude wusste, was sie heimlich dachte: Da Chlothar König von Neustrien-Burgund war und Childerich jener von Austrasien, war es ratsam, dass der Jüngste sich für ein Kirchenamt entschied. In solchem Amt würde er für die älteren beiden niemals eine Bedrohung darstellen, und sein Leben wäre geschützt. Außerdem war sein Gemüt so sanft und fügsam, dass man sicher sein konnte, auch der Allmächtige hatte gleiche Pläne mit ihm.
Die flatterhafte Gertrude blieb nicht lange bei diesem Thema. Schon sprach sie von Leudesius, ihrem Bruder, dass seine Frau wieder schwanger ginge, und dann von Itta, Königin im fernen Kent, von der sie schon seit langem nichts gehört habe.
Bathildis wandte sich ab, ließ ihre Gedanken schweifen, hörte schon fast nicht mehr zu – als Gertrude plötzlich jene Frage stellte, die ohne jede Vorbereitung, ohne Warnung das Gleichmaß ihres Lebens störte. Ein wuchtiger Schlag war’s, den Gertrude da austeilte.
Bathildis erbleichte.
»Was sagst du da?«
Gertrude zuckte zusammen, überrascht ob so viel Heftigkeit.
»Ach meine Königin... nicht aufwühlen wollt ich dich, sondern lediglich wissen...«
»Sag es noch einmal!«
Gertrude wagte nicht, ihr ins Gesicht zu sehen. »Ich dachte«, murmelte sie kleinlaut, »ich dachte, du wüsstest, dass Ebroin so viel Zeit an der Seite von Rigunth
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