Die Regentin (German Edition)
locken, ihn jedoch dort beseitigen lassen. Als Gegenleistung forderte er, dass nicht Dagobert, Sigiberts Sohn, aus Irland heimgeholt und zum König gemacht werden sollte, sondern einer der neustrischen Prinzen... einer meiner Söhne .
Was er sich davon erhoffte?
Gewiss, die Steigerung von Einfluss – weit über Neustriens Grenzen hinaus .
Und warum ich meine Zustimmung gab?
Nun, ich denke, dass der intrigante Grimoald, der prompt in die Falle ging, sein Ende verdient hat, und auch ist’s mir lieber, herrscht im Nachbarland mein Sohn und kein feindlich gesinnter Herrscher .
Und doch hadere ich damit, dass nun ausgerechnet ich, die ich stets wollte, dass von meinen drei Kindern nur einer König wird, meinen Zweitgeborenen nach Austrasien begleiten muss...
Die ganze Reise nach Metz, der Hauptstadt des austrasischen Teilreiches, suchte Bathildis mütterliche Sorge in sich heraufzubeschwören, den Schmerz über die bevorstehende Trennung,den Ebroin ihr gewiss nicht ungern, wenngleich als Beiwerk, nicht als Selbstzweck, zufügte. Doch stärker noch als diesen Schmerz, der sie zudem kaum anders denn als vage Idee streifte, fühlte sie die Erleichterung.
Childerich wurde in die Fremde geschickt, nicht Theuderich. Ebroin opferte nicht ihren liebsten Sohn den Winkelzügen der hohen Politik, sondern jenen, der ihr von den Dreien am wenigsten lieb war... und zugleich am ähnlichsten. Sein forscher, wacher und immer etwas unzufriedener Blick deuchte sie vertraut – und zeugte zugleich Bangen, stilles Grauen, stetige Vorbehalte in ihr. Hatte Ebroin gewusst, dass jenes Unbehagen, jene Vorbehalte die Blutsbande überwogen? Dass er sie nicht strafte, sondern ihr einen Gefallen tat, als er jenen Sohn erwählte?
Die Reise verlief schweigend, was Bathildis anfangs erleichtert stimmte, später befangen. Sie wusste nicht, was in dem Kopf des Knaben vorging und wie er die Ereignisse, die über sie gekommen waren, wertete. Und wiewohl sie ahnte, dass sie mit ihm darüber sprechen sollte, überwog lange Zeit die Scheu, in ihn zu dringen und auf etwas zu stoßen, von dem sie lieber gar nichts erfahren wollte.
»Childerich«, begann sie schließlich und stellte die Frage nach seinem Befinden nicht direkt, sondern nur als Andeutung. »Childerich, du weißt, dass uns in Metz nicht nur... Freunde erwarten...«
Eine Weile blieb sein Blick starr vor sich gerichtet. Obgleich in seinem Wesen gegensätzlich, schien er manches Verhalten von seinem älteren Bruder Chlothar übernommen zu haben, sofern es ihn denn nützlich deuchte. Und dazu zählte, möglichst wenig Regung zu zeigen.
Fast glaubte Bathildis, er würde nicht antworten, da meinte er: »Ich kenne meine Feinde. Sie werden versuchen, mich zu töten.«
»Childerich!«
»Ach verschon mich, Mutter, mit ängstlichem Geschrei! ›Längst hätten wir der Brut zeigen sollen, wer der Herr der Lage ist!‹ Das hat Ebroin gesagt, und ich gebe ihm Recht. Wusstest du Mutter, dass er meinen Vater stets dazu gedrängt hatte, Austrasien für sich zu verlangen? Vor allem nach Sigiberts Tod?«
Bathildis’ Lippen wurden schmal ob der Erwähnung Ebroins. »Nun«, versuchte sie ruhig zu sagen, »es mag einen Grund haben, warum dein Vater seiner Empfehlung nicht gefolgt ist. Denk darüber nach. Und wen meinst du mit Brut?«
»Der Adel von Austrasien will mich nicht, so viel ist sicher. Für diesen bin ich nur das geringere Übel, und viele werden versuchen, mich zu einem willigen Werkzeug zu formen. ›Regier mit harter Hand!‹, hat Ebroin geraten. Und das werde ich tun, wenn ich auch warten muss, bis ich alt genug bin. Am meisten, das hat Ebroin auch gesagt, muss ich mich vor dem Haus der Pippiniden in Acht nehmen, denn mögen sie mit Grimoald auch jede Macht verloren haben, so weiß doch alle Welt, dass sie verlogen sind und skrupellos und gewalttätig und jetzo gewiss auf Rache aus...«
»Lass dir von Ebroin nicht dein Ohr vergiften!«, unterbrach Bathildis ihn unwirsch. »Und denk nicht nur schlecht von den Menschen, ganz gleich, wie sie dir gesinnt sind. Wirb um sie! Bemühe dich vor allem um die Königin Chimnechilde... auf dass sie dir nicht verübelt, dass du zum König wirst, nicht ihr Sohn Dagobert. Denn sie ist diejenige, die für dich regieren wird, bis du großjährig bist.«
»Sie ist doch nur Wachs in den Händen anderer!«, zischte er verächtlich, und seine Augen blitzten auf. »Und warum soll ich um ein schwächliches Weib buhlen?«
Ihr Hadem über den Zwiespalt, den Sohn
Weitere Kostenlose Bücher