Die Regentin (German Edition)
so willig ziehen zu lassen, schwand augenblicklich und wich jenem Zorn, der sie einst dazu gebracht hatte, auf ihn einzuprügeln. Sie tat es nicht wieder, aber sie packte ihn fest. »Säst du Gewalt, wird sie dich fällen! Streb nach Frieden – und dein Leben wird sich lohnen!«
»So wie deines, Jezabel? Armer Bischof von Lyon!«
Bathildis sog scharf den Atem ein.
»Es war nicht meine Entscheidung, dass er gewaltsam sterben musste. Doch hör mir zu, bitte hör mir zu: Sei in dem, was du tust, ein guter Mensch. Sei gnädig mit deinen Feinden, sei milde zu Verbrechern, sei großzügig zu den Armen und Hungernden...«
Er verdrehte die Augen. Sie packte ihn fester. »Werte nicht ab, was ich dir sage!«
»Warum?«, gab er frech zurück. »Selbst wenn du’s wolltest, du dürftest mich nicht mehr bestrafen. Du hast keine Macht mehr über mich.«
»Aber du wirst Macht haben! Missbrauche sie nicht! Sie ist ein Dienst am Volke, kein Labsal für deine Eitelkeit. Sie ist immer Pflicht, kein Vergnügen...«
»Gewiss... desgleichen, wie sie schwer auf deinen Schultern lastet. Und deine flüsternd leisen Befehle – sie sind stets Opfer, nie Genuss.«
»Hat dir Ebroin das über mich gesagt?«
Er lächelte nur.
Ihre Finger bohrten sich tief in seine Schultern, und als er keinen Schmerz erkennnen ließ, so begann sie, ihn heftig zu rütteln. »Ach meinetwegen!«, schimpfte sie unbeherrscht. »Tu, was du willst in diesem fremden Land!’s ist mir auch gleich, was du über die Menschen dort bringst! Aber wage nicht, wage nicht, dich jemals gegen einen deiner Brüder zu wenden, hörst du? Beginne niemals Krieg mit Neustrien! Auch wenn ich stürbe – noch übers Grab hinaus würde dich dann mein Fluch treffen und dir jeden einzelnen Augenblick deines armseligen Lebens vergällen und dich nie vergessen lassen, welch ekelhafte, hoffärtige, unbeherrschte Kreatur du...«
Ihre Stimme überschlug sich.
»Ganz recht«, fiel er ihr kühl ins Wort. »Ich habe verstanden... gute, freundliche Mutter. In allem, was ich tue, werde ichmir dich, die du doch eine so liebenswerte, zärtliche und friedliche Frau bist, zum Beispiel nehmen.«
Sie wich seinem Blick aus. Sie wusste nicht, was ihr widerwärtiger war – seine Worte oder die eigenen. Das Rumpeln des Gefährts jagte ein Beben durch ihren Körper. Ihr Magen verkrampfte sich. Sie fühlte Übelkeit... und dass sie ausgelaugt war nach den Kämpfen, die hinter ihr lagen.
In den nächsten Tagen war Bathildis zerrissen zwischen dem Wunsch, noch möglichste viel Zeit mit ihrem Sohn zu verbringen, ihn darauf einzuschwören, gerecht zu herrschen und sich niemals gegen einen seiner Brüder zu wenden – und dem Verlangen, vor den scheelen Blicken zu fliehen, die man ihr am austrasischen Hof zuwarf.
Gewiss, sie wurde als Gast empfangen und Childerich als neuer Herrscher. Doch sie kam nicht umhin, hinter jeder Geste Verachtung zu vermuten. Nicht nur bei jenen, die sich missgünstig fragten, warum ein fremder Prinz den Thron besteigen sollte und nicht Dagobert, Sigiberts leiblicher Sohn, der fortan im Exil zu leben hatte, war sie zu wittern, sondern auch bei vermeintlich Verbündeten. Diese schienen nur allzu sehr erpicht, ihr möglichst schnell den Sohn zu rauben, ihn zu entfremden und ihn so entschieden in diesem Teilreich zu verwurzeln, dass er vergessen möge, woher er stammte.
Bathildis hatte gehofft, dass Childerich, der sich gegen sie so trotzig und widerstrebend benahm, die gleiche Sturheit auch in der neuen Heimat bekunden würde, dass er stark genug wäre, Schmeicheleien zu widerstehen. Doch der Sohn gab sich betont gefügig und willensschwach, und sei es nur aus dem Grund, weil ihr das missfiel. Er weigerte sich, mit ihr zu sprechen, und suchte umso eifriger die Nähe jenes Dux Wulfoald, der an der Seite von Königin Chimnechilde für Childerich regieren sollte, bis er erwachsen war. Bathildis war der Mann widerwärtig, dessen Gesicht so vernarbt war wie die Rinde eines uralten Baums.
Niemals erschien in diesem Gesicht das abfällige Lächeln mancher Höflinge – doch gerade weil seine Miene kein Spiegelbild seiner Gedanken und seines Trachtens war und weil er in der Kunst der Verstellung allzu geübt schien, wusste sie, dass man ihm nicht trauen konnte und dass die freundlichen, respektvollen Worte, die er zu ihr und ihrem Sohn sprach, nichts zu bedeuten hatten.
Rasch hatte sie entschieden, dass sie ihm Childerichs Heil nicht anvertrauen konnte. Es deuchte sie
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