Die Regentin (German Edition)
Paris, wo er gleiches Amt innehatte. Dort lebte ich an seiner Seite und hatte die Ehre...«
Er sprach nicht fort, als schienen diese Andeutungen zu genügen, auf dass sie selbst ihre Schlüsse ziehen konnte.
»Nun gut, daher kanntet Ihr also Chlodwig«, entgegnete Bathildis, »was aber bringt Euch dazu zu glauben, ich hätte noch mehr Willensstärke als mein Gemahl?«
»Ihr seid Regentin, oder nicht? Nicht jede hätte sich ein solches Amt erstritten.«
»Chimnechilde ist dies auch...«
»...und vermag doch nichts, als dumpf zu lächeln«, setzte er ihren Satz mit leichtem Hohn fort.
Sie grinste. »So ist es.«
»Freilich könnte ich glauben, dass auch Ihr die Macht nur innehabt, weil andere Euch zu ihrem Nutzen auf diesen Rang geschoben haben. Jedoch ich sehe, wie Ihr Euch hier betragt... wie Ihr stolz über sämtliche Beleidigung hinwegseht.«
»Beleidigung?«
»Vielleicht ist’s Euch entgangen. Doch man spottet über Euch, nicht offen, nicht laut, jedoch mit kleinen, unsichtbaren Spitzen.«
»Nennt mir denn eine!«
»Gestern ließ man Euch neben einem Mann das Mahl einnehmen, der aus jenem Kloster im Kohlenwald stammte, welches von Foillan gegründet ist.«
»Und das soll gegen mich gerichtet sein?«
»In jedem Fall gegen Euer Reich«, sagte Dagwulf. »Denn von dort wurde Foillan, ein Bruder des gerühmten Furseus, vertrieben, und zwar vom Major Domus Erchinoald.«
»Das kränkt mich gewiss nicht! Mit Erchinoald, Gott hab ihn selig, und möge er dort droben im Himmel mit seiner Leutsinda weiter zanken, verbindet mich nicht mehr, als dass ich einstmals seine Sklavin war.«
Sie sprach schnell und unüberlegt, von der Offenheit des anderen dazu verleitet. Kurz beschämte es sie, die schändliche Herkunft ausgesprochen zu haben, doch dann straffte sie denRücken, um zu bezeugen, dass sie sich längst darüber erhoben hatte.
»Ihr stammt von der Insel Britannien, nicht wahr?«, fragte der Priester ohne die übliche Häme oder Verächtlichkeit. »Wisset... alsbald begebe ich mich dorthin.«
Sie hob fragend den Blick.
»Ich sprach von Agilbert und dass er einst der Bischof von Dorchester war. Sein Neffe ist ihm in dem Amt gefolgt... und hat es heute noch inne. Er ist in meinem Alter, ich nenne ihn meinen Freund. Und wiewohl ich in Reims geboren wurde und all die Jahre hier lebte, so zieht es mich doch zurück in jenes Land, wo ich meine Jugend verbracht habe. Vielleicht... vielleicht werde ich die Spuren des Alters dort weniger spüren, wer weiß?«
Er lächelte schmerzlich, und als Bathildis sein Lächeln erwiderte, so kam ihr ein Gedanke. Verboten deuchte er sie, gänzlich widersinnig... und dennoch so verlockend. Ihr Blick fiel auf den tanzenden Sohn, den sie nicht länger erreichen konnte und der für vieles stand, was sie im Augenblick so gern vergessen hätte – die verworrenen Winkelzüge von Ebroins Politik, ihre Macht, die sie sich mit allen Mitteln ertrotzt hatte und der sie den eigenen Sohn opferte.
Sie zögerte, kämpfte gegen die Versuchung an.
Wir alle sind heimatlos, hatte Eligius zu ihr gesagt und desgleichen, dass sie an ihre Pflicht zu denken hätte, nicht an Vergangenes. Aber Eligius war gestorben, hatte sie ohne seinen weisen Ratschlag allein gelassen. Und außerdem – sie wollte die Vergangenheit doch nicht heraufbeschwören, wollte sich ganz gewiss nicht von ihrer Pflicht lossagen, wollte ihren Widersachern keine Schwäche zeigen, nur... sollte dieses kleine Zugeständnis an alte Sehnsucht nicht erlaubt sein? Und wer sollte jemals davon erfahren, wo doch dieser Dagwulf so vertrauenserweckend war und gewiss keine Bindung an den neustrischen Hof hatte?
»Ich hatte einen Verlobten«, setzte sie unwillkürlich an. »Aidan, Sohn des Ricbert... es könnte sein, dass er noch immer am Hof des Königs Oswine von Deira in Northumbrien lebt. Ich weiß nicht, ob es Euch gelingen könnte, ihm eine Nachricht von mir zu überbringen. Von Paris will ich es nicht versuchen, nicht als Regentin. Doch vielleicht könntet Ihr, die Ihr Britannien verbunden seid, mich weniger als solche betrachten, sondern als... Angelsächsin.«
Sie fühlte sich erröten ob der sich verhaspelnden Worte, doch der Priester hörte sie schweigend und ohne lüsterne Neugierde an.
»Ich kann es nicht versprechen«, meinte er dann, »aber versuchen in jedem Fall. Wie soll die Nachricht lauten?«
Bathildis errötete noch mehr. Die Antwort lag ihr nicht selbstverständlich auf den Lippen. Mühsam musste sie danach
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