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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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genommen wusste sie auch von ihrem Vater nicht viel mehr als von ihrem Verlobten – nur, dass er sie schon früh von Northumbrien nach Kent geschickt hatte, um dort zum einen den Kriegen in der Heimat zu entgehen und zum anderen eine angemessene Erziehung zu erhalten. Sein Antlitz jedoch war genauso vage wie das von Aidan oder auch das ihrer Mutter Estrith, wenngleich jene schon seit langem tot war und es ihr stets verzeihlich erschienen war, eine Tote vergessen zu haben.
    So stand sie oft frierend an der Fensterluke, erhaschte durch die schmalen Ritzen der Holzbalken einen Ausschnitt der fremden Welt und suchte daraus etwas abzulesen, was das künftigeGeschick entschlüsseln, in ihr eine Neugierde entfachen würde, ein Sehnen und ein Hoffen.
    Meist blieb es merkwürdig still in ihr, denn sie konnte sich ein Leben außerhalb der Klostermauern nicht ausdenken. Und auch der lebendige Schrecken, der sie in jener Nacht ganz ohne Vorwarnung durchzuckte, war gesichtslos. Die Bedrohung, die in Form der augenförmigen Schiffe auf sie zusteuerte, zeugte in ihrem Kopf keine Bilder – nur den Zwang, sogleich aus der Kammer zu stürzen und sich im nachtschwarzen Kloster zu jener Tür vorzutasten, hinter der die Äbtissin Eadhild schlief.
    Bathildis hämmerte an die Tür. Zugleich schrie sie ein ums andere Mal – viel lauter, als sie in den letzten Jahren jemals hatte ihre Stimme benutzen dürfen – »Schiffe! Schiffe! Es kommen fremde Schiffe!«
    Bathildis hatte erwartet, dass eine Bedrohung wie diese sämtliche Nonnen in unglaubliche Hast versetzen würde, dass sie alsbald in ein Tempo verfallen würden, das die Beschaulichkeit eines gottgeweihten Lebens ansonsten strikt verbat. Stattdessen konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in dem Augenblick, da sie der Äbtissin von der Gefahr berichtete, jene ihren so regsamen Geist aushauchte und nur mehr Hülle war, die auf fremde Hilfe wartete.
    Nie zuvor hatte Bathildis deren Zelle betreten. Die Äbtissin Eadhild war die Einzige, die einen Raum ganz für sich allein hatte, und wenngleich sie darum von manchen der älteren Nonnen beneidet wurde, deuchte es Bathildis und die gleichaltrigen Mädchen stets unheimlich, alleine zu schlafen – ganz ohne das Seufzen und Räuspern und Schnarchen der Gemeinschaft.
    Selbst jetzt konnte sie nicht umhin, einen neugierigen Blick in diese Zelle zu werfen, um hier freilich nichts weiter zu erschauen als einen Strohsack, von dem die Äbtissin hochgefahren war, und einen Holzschemel. Eadhild trug die gleiche Leinenkuttewie des Tags, nur ihre Haare waren von keiner Haube bedeckt, sondern hingen schwer über den Rücken – strähnig und talgig und einen unangenehmen Geruch verbreitend, jenem gleichend, der drückend im Schafstall hing.
    »Was sagst du da? Was sagst du da?«, stotterte sie ein ums andere Mal, schritt ziellos auf und ab.
    Zuerst war Bathildis erleichtert, dass ihr die Frage erspart blieb, warum sie sich aus dem Schlafsaal geschlichen hatte. Doch zunehmend verstörte es sie, dass die Frau, die das Kloster leitete – stets ein wenig nörgelnd, das schon, aber mit jener Würde, die nur vom Leben erprobte Menschen ausstrahlen können nicht klärte, was zu tun war, die Zeit nicht nutzte, die verblieb, bis die Schiffe am Ufer anlegten und deren Insassen das Kloster erreichten. Es lag nicht direkt am Strand, aber auch nicht weit genug im Landesinneren, um vor den Blicken Fremder geschützt zu sein – zumindest nicht mehr, seitdem die Mönche den Wald gerodet hatten.
    Diese Mönche lebten im gleichen Kloster wie sie, jedoch durch eine Tür getrennt, die zu öffnen streng verboten war und die nur von der Äbtissin durchschritten wurde, wenn sie mit dem Abt etwas zu klären hatte. Einzig beim Messbesuch trafen Männer und Frauen zusammen, doch jener war in den letzten Tagen ausgefallen, weil die Mönche zum Grab des Paulinus gepilgert waren, um das Andenken dieses großen Mannes zu ehren. Jener hatte das Christentum nach Northumbrien gebracht, war von dort jedoch schmählich vertrieben worden, als der heidnische Penda die Macht erlangt hatte, und schließlich vor drei Jahren in Kent gestorben.
    Die Abwesenheit der Brüder bedeutete, dass die Nonnen auf sich gestellt waren und die Äbtissin allein eine Entscheidung zu treffen hatte.
    Kopflos auf und ab irrend erweckte sie freilich nicht den Eindruck, dass sie dazu bereit wäre.
    »Mutter Äbtissin!«, rief Bathildis. »Die Schiffe kommen ausdem Norden! Sie haben keine Segel

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