Die reinen Herzens sind
Das Altenheim steckt es ein. Wahrscheinlich wird man ihm ein paar gemeinnützige Dienste aufs Auge drücken, und das macht er jetzt sowieso schon. Er sorgt für die Unterhaltung der Heimbewohner. Organisiert im Golden Valley regelmäßig die Halloweenparty, die Weihnachtsfeier, Ostern …«
»Pete, du läßt ihn doch wohl nicht laufen, oder? Es geht um Unterschlagung!«
»Wenn er verurteilt wird, verliert er vermutlich seine Zulassung als Pfleger. Das Heim verliert einen Pfleger, den die Alten über alles lieben.«
»Decker!«
»Ich will Leek ja nicht ungeschoren davonkommen lassen. Aber er muß ja nicht unbedingt vor Gericht landen.«
»Pete …«
»McKay und ich hatten eine angenehme Rückfahrt zum Altenheim, nachdem die Zeit der Geständnisse vorbei war. Ich habe ihn zu einem der Manager gebracht und ihm gesagt, er solle seine schmutzigen, kleinen Machenschaften beichten. Dann bin ich gegangen. Ich erwarte, von den Herrschaften zu hören. Wenn sie entscheiden, nicht gegen ihn vorzugehen, welchen Grund haben wir dann noch, ihn anzuklagen?«
»Du könntest sie zwingen, McKay zu verklagen!«
»Konzentrieren wir uns auf das Wesentliche. Leek hat Tandy seine Zulassungsnummer nur überlassen, um sich ihr Schweigen zu erkaufen. Sie weiß von seinen Unterschlagungen. Zuerst hat Tandy das benutzt, um ihn zu einer Affäre zu erpressen. Und dann hat sie ein Kind von ihm erwartet.«
»Er hat ihr auch ein Kind gemacht?« Marge schüttelte den Kopf. »Damit wären wir bei Schwangerschaft Nummer drei. Fruchtbares Mädchen.«
»Drei Schwangerschaften?« fragte Decker. »Wann war die zweite?«
»Mit achtzehn in New York.«
»Wie bist du denn darauf gekommen?«
Marge lächelte geheimnisvoll. »Ich habe da meine Quellen. Wichtig ist, daß Tandy Roberts in verhältnismäßig kurzer Zeit drei Babys verloren hat.«
»Verloren?« wiederholte Decker. »Leek sagt, sie habe abtreiben lassen.«
»Verloren. Abgetrieben. Wer weiß?« Marge zuckte die Schultern. »Tandy scheint ein labiler Charakter zu sein. Zuerst hungert sie sich halb zu Tode, dann frißt sie sich fett. Und sie führte Selbstgespräche. Zusammen mit den verkorksten Schwangerschaften ergibt das ein brisantes Psychogramm.«
»Du hast mit ihr gesprochen, Margie. Hattest du den Eindruck, daß sie verrückt ist?«
»Im Gegenteil. Rein äußerlich wirkte sie verdammt vernünftig. Ganz das typisch selbstverliebte kalifornische Mädchen.«
»Und was lernen wir daraus?«
»Sie hat ein Motiv«, sagte Marge. »Zwei kinderlose, psychisch instabile Charaktere: Tandy und Marie Bellson. Früher dicke Freundinnen. Vielleicht haben sie sich wieder angenähert, inspiriert durch ein gemeinsames Ziel. Beide haben durchgedreht, sich gegenseitig noch verstärkt und gemeinsam die ultimative Todsünde begangen.«
Decker schwieg.
»Die beiden stecken unter einer Decke. Das fühle ich«, bekräftigte Marge.
»Und was sie verbindet, ist ihre Kinderlosigkeit.«
»Richtig«, sagte Marge. »Sehen wir uns Tandys Vergangenheit mal genauer an. Geboren in Berkeley, als Kind nach Manhattan gekommen, in der Modebranche gearbeitet …« Marge hielt inne. »Ich nehme sie genauer unter die Lupe. Verlaß dich drauf.«
Eine Weile fiel kein Wort.
»Okay, du nimmst dir Tandys Vergangenheit vor«, entschied Decker schließlich. »Vielleicht entdecken wir dabei eine Verbindung zwischen Tandy und Marie. Aber wir müssen uns beeilen. Heute morgen wurde das FBI eingeschaltet.«
»Machst du Witze?«
»Leider nicht. Stehen schon in den Startlöchern für ihren großen Auftritt, die Jungs.«
»Verdammt!« Marge schleuderte die Zeitung aufs Sofa und begann auf und ab zu gehen. »Wie wär’s damit, Pete? Marie ist Tandys Mutter. Sie hat sie zur Adoption freigegeben?«
»Das kommt mit der Zeit nicht hin. Marie hat mit fünfzehn noch bei ihrer Mutter gelebt. Und Lita ist sicher, daß ihre Tochter als Teenager kein Kind bekommen hat.«
»Traust du Litas Erinnerungsvermögen?«
»Nicht hundertprozentig. Aber es klang alles vernünftig.«
In diesem Moment ging die Haustür auf. Ginger sprang schwanzwedelnd auf. Cindy kam herein. Sie hatte ein Mädchen in ihrem Alter im Schlepptau. Beide waren leicht gebräunt und hatten nasses Haar.
Cindy gab ihrem Vater einen Kuß. »Erinnerst du dich noch an Lisa Goldberg, Dad?«
»Hallo, Lisa«, begrüßte Decker den Gast. »Wie geht’s?«
»Ganz gut.« Lisa zuckte scheu mit den Achseln.
»Wir waren schwimmen«, berichtete Cindy. »Ich will mich nur schnell
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