Die reinen Herzens sind
legte einen Arm um Decker. »Legen Sie sich schlafen. Befehl vom Arzt.«
»Ich muß Rinas Eltern Bescheid sagen …«
»Nicht bevor Sie mit Rina gesprochen haben.«
»Nein, nicht deshalb.« Decker hatte Mühe, sich zu artikulieren. »Ich hatte versprochen, sie anzurufen, sobald Rina aus dem Aufwachraum kommt … Sie müssen sich schon schreckliche Sorgen machen.«
Hendricks löschte das Licht. »Ich rufe sie an. Geben Sie mir die Nummer.«
Decker brauchte ein paar Sekunden, bis er die korrekte Zahlenfolge weitergeben konnte. »Sie sagen ihnen, daß mit Rina alles okay ist?«
»Ia, das sage ich. Es ist schließlich die Wahrheit.« Hendricks zog einen Schlüsselbund aus der Hosentasche und schloß die Tür ab. »Kommen Sie. Ich bringe Sie zur Intensivstation zurück.«
Decker wehrte sich nicht. Er fühlte sich wie ein Kind, das man zu Bett brachte. Er wollte nicht gehen, aber er war zu erschöpft, um zu protestieren.
8
Cindy wachte auf und zuckte zusammen. Ihre Muskeln schmerzten. Sie war auf einem Stuhl eingeschlafen. Neben ihr stand Hannahs Bettchen. Das Baby lag auf dem Bauch, die Augen geschlossen, das kleine rosa Gesichtchen in die Matratze gedrückt. Seit der letzten Flasche waren fast drei Stunden vergangen, und Hannah hatte noch immer keinen Mucks getan. Sie war ein großes Kind, hatte bei der Geburt fast neun Pfund gewogen. Vermutlich hatte sie einen größeren Magen als die anderen Kinder. Gut für sie, und Glück für Rina. Hannah würde vermutlich sehr bald durchschlafen.
Die Wanduhr zeigte fünf nach eins. Cindy nahm an, daß es Nacht war. Die Säuglingsstation war so hell erleuchtet, daß es auch Tag hätte sein können. Sie stand auf und streckte sich. Schließlich überschritt sie die gelbe Linie zur Schwesternstation. Durch die Glasscheibe sah Cindy Darlene, die wild gestikulierend mit einer großen, vierschrötigen dunkelhäutigen Schwester diskutierte. Cindy klopfte an die Tür. Darlene sah auf und machte ihr ein Zeichen hereinzukommen.
»Hallo«, sagte Cindy.
»Nimm deine Gesichtsmaske ab«, begrüßte Darlene sie. »Sonst kann ich dich nicht verstehen. Alle nuscheln hier hinter ihren Masken. Wie geht’s deiner Schwester? Hast du sie schon gefüttert?«
»Sie schläft noch«, sagte Cindy.
»Du hast sie durch die Zwölf-Uhr-Stillzeit schlafen lassen? Oh, oh! Da wird die Mutter nicht glücklich sein. Wir müssen sie an einen gewissen Rhythmus gewöhnen. Was bist du nur für eine Kinderschwester?«
Darlenes Augen sprühten spöttisch. Cindy erwiderte das Lächeln. »Soll ich sie jetzt füttern?«
»Da du sie schon einmal verwöhnt hast, kannst du jetzt auch warten, bis sie von selbst aufwacht. Typisch ältere Schwester. Ihr kriegt doch selten was auf die Reihe!« Sie sah auf die Uhr und wandte sich der vierschrötigen Lernschwester zu. »Lily, bringen Sie die Babys in die Säuglingsstation zurück. Die Stillzeit ist um. Sie kümmern sich um die Zimmer 350 bis 330. Ich nehme den Rest. Und sehen Sie auf dem Plan nach, wer Rooming-in hat. Diese Babys müssen nicht zurück auf die Station.«
»Ist doch klar«, erwiderte Lily ernst.
»Sehen Sie trotzdem nach, ob alles in Ordnung ist. Noch Fragen?«
»Nein.« Lily lächelte nervös.
»Dann mache ich entweder etwas sehr richtig oder ganz falsch«, sagte Darlene. »Immer locker bleiben, Lily. Versuchen Sie, Spaß an der Arbeit zu haben. Solange ist alles okay.«
»Vielen Dank, Madam.« Lily lachte ängstlich und wandte sich an Cindy. »Sie ist eine echte Sklaventreiberin.«
»Finden Sie das nett, Schwester Booker?« schmollte Darlene. »Nach allem, was ich für Sie getan habe?«
»Aber eine richtig nette Sklaventreiberin«, verbesserte sich Lily. »Passen Sie gut auf, wenn Sie erst Lernschwester sind.«
»Lernschwester?« fragte Cindy.
»Darlene hat große Pläne mit Ihnen.«
Cindy lachte. In Wirklichkeit war sie verwirrt.
»Schwester Booker, kommen Sie endlich in die Gänge und arbeiten Sie was!« befahl Darlene.
»Ja, Sir … Madam.« Lily salutierte, winkte Cindy zu und ging.
Cindy winkte zurück und sah dem breiten Rücken in der weißen Uniform nach. Trotz ihrer Größe sah Lily sehr jung aus. Sie war Anfang Zwanzig. Vermutlich hatte sie die Schwesternschule gerade hinter sich.
»Sie ist nett«, sagte Cindy zu Darlene.
»Wird mal eine verdammt gute Schwester aus ihr«, bemerkte Darlene. »Wissen Sie weshalb? Weil sie pflichtbewußt und liebevoll ist. Sie hat sich aus dem Nichts hochgearbeitet. Ihr Traum war es, Menschen zu
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