Die reinen Herzens sind
Ausschabung.«
»Nicht bei Rina?«
Hendricks wich seinem Blick aus. Decker fühlte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte.
»Was war los?«
»Rina hatte starke Blutungen. Ihr Blutdruck sank sekündlich. Wir mußten operieren. Dabei stellten wir fest, daß die Plazenta durch die Gebärmutterwand gewachsen war. Das war die Ursache der Blutungen. Tut mir leid, Peter, aber wir mußten bei Rina eine Totaloperation durchführen.«
Hendricks Worte hallten unheilvoll in Deckers Ohren wider. Er war zu perplex, um zu reagieren. Der Raum um ihn herum begann sich zu drehen, die Wände pulsierten, die Regale bogen sich. Übelkeit stieg ihm in die Kehle. Er schluckte, um sich nicht zu übergeben, und hielt die Hand vor den Mund.
Hendricks drehte die Patientenkarte zwischen den Fingern. »Ich weiß, das ist ein Schock für Sie …«
»Hätten Sie die Plazenta nicht einfach nur herausschneiden können?« brach es aus Decker heraus. »Sie operativ entfernen können?«
»Nein …«
»Sie mußten die ganze Gebärmutter herausnehmen?«
»Ja.«
»Ich begreife nicht …«
»Peter …«
»Ich meine, ist eine Operation nicht dazu da? Um was rauszuschneiden? Bestimmte Dinge selektiv zu entfernen?«
Hendricks antwortete nicht.
»Ich begreife einfach nicht, warum …«
»Peter«, unterbrach Hendricks ihn sanft. »Rinas Plazenta war wie ein offener, mit Blut gefüllter Schlauch. Je mehr ich davon zu entfernen versucht habe, desto mehr blutete es. Ich hatte keine Wahl. Ich weiß, wie Rina über Kinderkriegen denkt. Ich habe Sammy und Jakob auf die Welt gebracht. Und ich habe nach allen drei Fehlgeburten ihre Hand gehalten …«
»Die Fehlgeburten hatte sie, weil ihr Mann so krank war. So hat sie’s mir erzählt.«
Hendricks schwieg.
»Nein?« Decker klang verzweifelt.
»Peter«, begann Hendricks, »wer weiß, weshalb sie diese Fehlgeburten hatte? Ich war glücklich, als sie dieses Kind austragen konnte. Bitte, vergessen Sie über alldem nicht, daß Sie eine entzückende kleine Tochter haben. Eine gesunde Tochter. Großer Gott, natürlich weiß ich, daß Rina einen Stall voll Kinder wollte. Es wird sie hart treffen. Deshalb habe ich gefragt, wie Sie zu ihren Söhnen stehen. Manche Männer sind ganz besessen von dem Gedanken, einen eigenen Sohn zu haben …«
»Nein«, Decker schüttelte den Kopf. »Nein, das ist kein Problem.« Er schloß die Augen. Als er sie wieder aufschlug, war das Entsetzen nicht verflogen. »Was … was soll ich ihr sagen?«
»Ich sage es ihr. Das ist meine Aufgabe.«
Decker schüttelte wieder den Kopf. »Mache ich schon.«
»Peter, ich bin sicher, daß Sie in Ihrem Job schon verdammt oft den schwarzen Peter in der Hand hatten. Diesmal lassen Sie mich den Überbringer der schlechten Nachricht sein.«
»Nein, das kann ich nicht. Ich mache das.« Decker hob langsam den Blick. »Wann soll ich es ihr sagen?«
Hendricks seufzte hörbar. »Wenn Sie darauf bestehen … Tun Sie es, sobald sie wieder einigermaßen bei Kräften ist. Ich sage Ihnen, wenn sich ihre Blutwerte stabilisiert haben.«
Decker nickte mit gesenktem Kopf.
»Sie ist eine starke Frau, Peter. Sie wird sich schnell erholen. Die Operation an sich … mein Gott, wie banal das klingt! Aber die Operation war eine Routineangelegenheit. Rinas Eierstöcke sind intakt. Hormonell gesehen ist sie wie jede andere Frau ihres Alters. Und sie kann stillen.«
»Ich liebe sie so«, flüsterte Decker. »Sie wird am Boden zerstört sein.«
»Und Sie?«
»Ich bin nicht gerade in Hochstimmung, wenn Sie das meinen, Doktor.« Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Aber ich kriege das hin. Nur Rina …«
»Es ist ein Einschnitt, Peter! Nicht wie der Tod eines Kindes – zum Glück nicht. Das haben Sie ja mit Ihrer ersten Frau schon durchgemacht.«
Decker nickte.
»Das muß die Hölle gewesen sein. Das hier ist nicht viel besser. Sie müssen es gemeinsam durchstehen. Wenn Sie entschlossen sind, es ihr zu sagen, will ich Sie nicht davon abhalten. Aber falls Sie Hilfe brauchen, rufen Sie an. Sagen Sie, es sei ein Notfall. Ich bin für Sie beide … für die ganze Familie jederzeit da. Rufen Sie mich an.«
Decker konnte nur nicken.
»Ich habe eine Liege bei Rina für Sie aufstellen lassen.« Hendricks erhob sich. »Versuchen Sie jetzt zu schlafen, okay?«
»Danke.« Decker kam langsam auf die Beine. »Ich muß jetzt mit meiner Tochter sprechen.«
»Das hat bis morgen Zeit.«
»Ich möchte es aber jetzt tun.«
»Peter, es hat Zeit.« Hendricks
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