Die Reise in die Dunkelheit
Stadt gekämpft und mit Verwundeten auf den Schultern die Tschkalowskaja erreicht hatten. Im Laufe der Jahre hatte sich die leer stehende Station in eine unbewohnbare, eiskalte Höhle verwandelt.
Die Aufräumarbeiten und die Errichtung von Grenzposten hatten mehrere Tage gedauert und die Babylonier so in Beschlag genommen, dass sie gar keine Zeit hatten zu trauern. Die Probleme waren erdrückend gewesen: Sie hatten weder ausreichend Nahrung noch eine funktionierende Wasserversorgung . A ußerdem benötigten sie dringend ein Feldlazarett und Medikamente. Zu allem Überfluss wurden sie immer wieder von Mutanten heimgesucht, die ihre eilig errichteten Schutzbarrieren auf eine harte Probe stellten.
Jeder der Überlebenden hatte ein schweres Schicksal zu tragen, doch kaum einer jammerte. Die Seeleute arbeiteten wie besessen, und ein ihnen allen gemeinsames Gefühl schweißte sie zusammen: die Sehnsucht nach Vergeltung.
Nach der Verkündung des Ultimatums hatten sie ein paar Sorgen weniger. Jetzt mussten sie nur noch warten, bis die Frist, die sie den Metrobewohnern gestellt hatten, ablief. Und sie mussten sich bereit machen für den unvermeidlichen, blutigen Krieg.
Die Stimme eines Wachmanns, der ans Feuer getreten war, riss den Kapitän aus seinen schwermütigen Gedanken.
»Sieht so aus, als sei ein Unterhändler gekommen, der …«
Der alte Mann hörte den Rapport nicht zu Ende an. Er sprang auf, rückte seine Schirmmütze zurecht und marschierte energisch zum Ende des Bahnsteigs . A m Kontrollposten herrschte bereits hektische Betriebsamkeit . A n den Feuerstellungen drängten sich nicht nur die Wachposten, sondern auch Schaulustige, die neugierig über die Brustwehr spähten.
»Was haben Unbefugte am Grenzposten zu suchen?«, donnerte der Kapitän. »Habt ihr alle nichts zu tun? Da kann ich Abhilfe schaffen!«
Innerhalb weniger Sekunden verzog sich die Menge und ließ den Anführer mit dem Kommandeur des Wachtrupps allein.
»Wo ist er?«, fragte der alte Mann und begab sich, ohne eine Antwort abzuwarten, zur Beobachtungsscharte.
Der graubärtige Seemann hatte in seinem Leben schon viel gesehen und wunderte sich in der Regel über nichts mehr. Doch das Äußere des Besuchers, der hinter dem Kontrollposten wartete, hinterließ doch einen bleibenden Eindruck bei ihm.
»Wie heißt du, Mutant?«
Der Kapitän stieg höher hinauf, damit der Ankömmling ihn sehen konnte.
»Dym.«
Der tiefe, raue Bass des Unbekannten jagte dem alten Mann einen Schauer über den Rücken.
»Was willst du?«
»Wollt ihr was über die Bombe erfahren?«
Angespannte Stille breitete sich aus. Das Getuschel der unfreiwilligen Zeugen des Gesprächs hörte schlagartig auf. Es war auf einmal so ruhig, dass man sogar das Geflatter einer einsamen Fledermaus hörte, die unter dem Tunnelgewölbe vorbeihuschte. Einer der Wachmänner schluckte nervös und blickte besorgt zu seinem Anführer.
Der Mutant trat vor und zeigte seine leeren Hände. Dann richtete er den Blick fest auf den Kapitän und sagte mit einem herausfordernden Ton in der Stimme: »Ich war es, der die Insel in die Luft gesprengt hat.«
DRITTER TEIL
DER HÜTER
14
DIE HINRICHTUNG
Unerträglich grelles Licht flutete durch die geschlossenen Lider und brannte in den Augen. Das längst vergessene Gefühl war zwar unangenehm, weckte aber auch schöne Erinnerungen. In früheren Zeiten hatte man gefahrlos in der Sonne liegen und ihre wärmenden Strahlen genießen können. Und der Anblick eines wolkenlosen blauen Himmels hatte nicht Panik ausgelöst, sondern Begeisterung. Früher einmal, ja … Doch diese Zeiten waren vorbei.
Instinktiv griff sich der Stalker an die Stirn und tastete nach den Lichtfiltern. Doch da war nichts. Nicht einmal eine Gasmaske. Schöner Mist!
Er öffnete die verklebten Lider und blinzelte. Die blendende Sonne erwies sich als Kunstlicht. Es strömte aus einer glupschäugigen Lampe, die über einem OP -Tisch hing.
Während Taran fieberhaft versuchte, sich an die letzten Geschehnisse zu erinnern, sah er im Augenwinkel plötzlich eine Hand mit einer Spritze, die sich seinem Unterarm näherte.
»He, immer mit der Ruhe«, ereiferte sich der Unbekannte, als Taran ihn am Handgelenk packte. »Das ist nur eine Tetanusspritze.«
Ein mit einem weißen Kittel bekleideter Mann trat ins Bild und verdeckte die Lampe: müde Augen, abstehende Ohren, pfiffiger Blick …
»Der Stümper, der deinen Oberarm zusammengeflickt hat, sollte Berufsverbot kriegen«, wetterte der
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