Die Reise in die Dunkelheit
gerade auf den Rückweg zum Bunker machen, als er im Augenwinkel plötzlich einen bewegten Schatten sah. Er verharrte am Rand des Dachs und spähte angestrengt in den grauen Schleier, der direkt über dem Boden hing. Dort unten neben dem Eingang zur Metro war jemand. Menschen . A us der Ferne sahen die verschwommenen Silhouetten wie Spielzeugfiguren aus. Drei Flüchtlinge mit Mundschutz schleppten einen zylindrischen Gegenstand zum Abdeckhäuschen eines Lüftungsschachts. Eine Druckflasche? Kurz darauf bestätigte sich die Vermutung. Die Flamme eines Gasbrenners loderte auf und züngelte gegen das bereifte Metallgatter. Die Draufgänger hatten sich offenbar vorgenommen, durch den Hintereingang in die Metro zu gelangen.
Während Taran gespannt beobachtete, wie sich die Einbrecher am Eingang zum Lüftungsschacht zu schaffen machten, versäumte er jenen kritischen Moment, als ein Trupp bewaffneter Männer in monströsen ABC -Schutzanzügen aus der Unterführung an die Oberfläche schlich . A uch der unseligen Troika entging das Auftauchen der Patrouille.
Das flehentliche Bitten um Gnade ging im Rattern der Sturmgewehre unter. Nach wenigen Sekunden war alles vorbei. Routiniert, als hätte er nie etwas anderes gemacht, ging der Kommandeur des Trupps die drei Gefallenen ab und verabreichte jedem zur Sicherheit einen Kopfschuss. Dann verschwanden die Männer wieder im Untergrund. Ganz gemächlich, ohne jede Hektik.
Nun, wenigstens war dies eine eindeutige Antwort auf die Frage, die den Stalker schon lange umgetrieben hatte: In der Metro gab es Überlebende. Und allem Anschein nach herrschten raue Sitten bei ihnen. Der Wunsch, sich diesen rabiaten Mitbürgern anzuschließen, hielt sich entsprechend in Grenzen. Sicher, früher oder später würde er nicht darum herumkommen. Doch vorher musste er erst mal einen einigermaßen sicheren Zugang zur Metro finden. Der Gasbrenner, der bei den Leichen zurückgeblieben war, konnte dabei nützliche Dienste leisten. Vielleicht gelang es ja damit, die hermetische Luke zu öffnen, die Tarans Behausung vom Tunnelsystem der Metro trennte.
Auf dieses Hindernis war der Stalker bereits am ersten Tag seines freiwilligen Eremitendaseins im Bunker gestoßen. Doch ohne entsprechendes Werkzeug hatte er nicht die geringste Chance, die massive Klappe auszuhebeln.
Als Taran kurze Zeit später den schweren Schneidbrenner zum Eingang des Krankenhauses schleppte, leistete er sich selbst eine unverzeihliche Nachlässigkeit. Er passte nicht auf und wurde von einem Schuss überrascht.
Zwischen den nächstgelegenen Ruinen hörte man jemanden fluchen. Dann noch ein Schuss. Nur wenige Meter von ihm entfernt spritzte eine Staubfontäne aus dem Boden. Instinktiv ließ Taran sich auf den Boden fallen und verharrte in einer verrenkten Pose.
Aus der Dunkelheit eines Hauseingangs tauchte ein blasser junger Mann auf, der eineTokarew TT in der zitternden Hand hielt. Goldkettchen am Hals, blauer Anzug mit aristokratischem Streifenmuster … Irgendein versprengter Bandit oder ein Geschäftemacher … Mit der Pistole konnte er jedenfalls nicht umgehen. Voreilig legte er seine Waffe auf den Boden, um sein Opfer nach Wertsachen zu durchsuchen. Dafür bezahlte er.
Taran behielt nur die Pistole als Trophäe und verzichtete darauf, den ohnehin zu Tode erschrockenen Hasardeur in die Mangel zu nehmen. Er verpasste ihm nur ein paar prophylaktische Ohrfeigen und zwang ihn, die Gasflasche zu tragen . A n der Treppe, die in den Bunker hinunterführte, wurde dem Unbekannten auf einmal schlecht . A nscheinend hatte er eine Überdosis radioaktiver Strahlung abbekommen. Er fiel um wie ein gefällter Baum und fing zu röcheln an . A us seinem Mund quoll rosa Schaum. Die Augen in seinem aschfahlen Gesicht waren rot unterlaufen. Kurzum – es stand schlimm um ihn.
Der junge Mann weigerte sich kategorisch, in den Bunker hinunterzugehen. Entweder spürte er bereits den nahenden Tod oder er glaubte nicht an die selbstlose Hilfe eines Fremden. Jedenfalls blieb er zitternd auf dem oberen Treppenabsatz sitzen und hustete sich die Seele aus dem Leib.
Taran zögerte kurz, doch dann stieg er hinab. Der gesunde Menschenverstand siegte über das Mitleid. Es hätte nichts gebracht, den Kerl gegen seinen Willen in den Bunker zu schleppen – er stand sowieso schon mit einem Bein im Grab.
Mit Gepolter fiel die Tür ins Schloss, und die Schrecknisse der Außenwelt blieben dahinter zurück. Doch noch lange verfolgte Taran das Gezeter des
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